Restaurierung eines Kammrads aus der Frühzeit der Hansestadt Lübeck, 12. Jahrhundert

Archäologische Sammlung der Hansestadt Lübeck

Das Kammrad wurde als Unterbaukonstruktion für eine hochmittelalterliche Brunnenanlage des 13. Jahrhunderts im Lübecker Gründungsviertel – dem ältesten Quartier der Hansestadt und dem späteren Zentrum des Europäischen Hansehandels – bei Ausgrabungen im Jahr 2013 freigelegt und geborgen. Hierbei handelte es sich um eine Sekundärverwendung eines Teiles einer technischen Achsübersetzung eines Mühl- oder Kranrades. Der Aufbau beinhaltet eine dreilagige 6,5-7 cm starke Bohlenlage, die durch 2,5 cm starke Holzdübel miteinander befestigt wurden. Die Maserung dieser Bohlen zeigt, dass die Hölzer mit einer Schablone in Form geschnitten wurden. Es lassen sich auf der Oberseite insgesamt 71 Bohrungen mit exakt 4,5 cm Durchmesser finden. Auf der Unterseite deuten sich vier Aussparungen von 16x6,5 cm an, die zur Aufnahme von Aussteifungshölzern gedient haben könnten. Nach Analyse der archäologischen Befundlage datiert das Kammrad
aufgrund der sekundären Verwendung im Brunnenbau noch in das späte 12. Jahrhundert und stellt somit eines der ältesten archäologisch geborgenen Kammräder und dementsprechend den Nachweis der Verwendung von Kenntnis bezüglich der Technik von mechanischen Kräfteübersetzungen im Hochmittelalter in Nordeuropa dar.
Anhand des Objektes ist der technische Wandel zu modernen Getrieben dokumentiert und es symbolisiert darüber hinaus die Wechselwirkung zwischen technischem Fortschritt und der Geschichte sozialer gesellschaftlicher Prozesse. Das Objekt ist somit Technikgeschichte in materieller Kultur.

Dr. Manfred Schneider

»Die Förder-Anerkennung eines Objektes aus der Archäologie ist der hohen technikgeschichtlichen Bedeutung des Objektes als eines der ältesten Kammräder einer großen mechanischen Konstruktion zu verdanken, was sicher auch den technikbegeisterten Stiftungsgeber begeistert hätte.«

Sylvia Morgenstern, Dipl.-Restauratorin

Abbildungen:
1 Depotsituation, Kammrad, spätes 12. Jahrhundert
2 Detail des Kammrads mit Holzbohrungen und Holzdübeln
3 Bereichsleiter Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck Dr. Manfred Scheider und Dipl. Restauratorin Sylvia Morgenstern vor dem Kammrad im Wasserbad
© Obere Denkmalschutzbehörde, Archäologie und Denkmalpflege, Lübeck

Die Corona Förderlinie der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung ist eine großartige Möglichkeit und ein Kompliment an den Berufsstand der Restauratoren. Ohne viel bürokratischen Aufwand ist es möglich Berufskollegen auf dem freien Markt zu unterstützen bzw. einfach seine Arbeit zu tun - Zeugnisse der Menschheitsgeschichte zu erhalten und zu verstehen.

Dr. Manfred Scheider, Bereichsleiter Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck

Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen

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