Zwei Augsburger Tafelleuchter, 1810

Kunstsammlungen und Museen, Augsburg – Maximilianmuseum

Die beiden Tischleuchter sind gleichartig gestaltet: Auf einem hohen, mit Schwänen und Blattrosetten geschmückten Sockel kniet die antike Erdgöttin Ceres, Symbol der Fruchtbarkeit. Neben ihr liegt als ihr Attribut das Füllhorn mit Ähren, Gemüse, Obst und Blumen. Mit ihrer linken Hand balanciert sie einen zweiflammigen Kerzenaufsatz. Die beiden Kerzentüllen werden von Schlangen umwunden. Zwischen ihnen befindet sich auf einer kleinen Schale eine Ananasfrucht.

Stilistisch repräsentieren die Tafelleuchter, deren Hauptfigur dem Vorbild antiker, römischer Skulpturen folgt, die Schlussphase der um 1770 einsetzenden Epoche des Klassizismus. Sie wurden erstmals (als einflammiges Modell) im August 1810 in einer illustrierten Anzeige im „Journal des Luxus und der Moden“, das wiederholt über aktuelle Silbererzeugnisse aus Augsburg berichtete, als neue Erfindung „aus der Augsburger Silberhandlung Heinrich Remigius Gullmann seel. Erben“ vorgestellt. Sie zählte mit der von Klaucke & Benz um eine der bedeutendsten Augsburger Silberhandlungen des späten 18. Jahrhunderts. Die Silberhändler vermittelten als Edelmetall-, Münz- und Silberwarenhändler Groß- und Spezialaufträge an die Goldschmiede der Reichsstadt. Akquise, Materialbeschaffung, Finanzierung, Organisation und Steuerung der arbeitsteiligen Produktion sowie Verpackung und Transport waren ihr Geschäft. Zusammen mit der Firma Alois Seethaler betrieb Gullmann, der Niederlassungen u.a. in Frankfurt und England unterhielt, nach dem Ende des Alten Reichs die letzte Augsburger Silberhandlung von überregionaler Bedeutung. Nach Gullmanns Tod 1807 führte seine Frau Margarethe, geb. von Halder, das Unternehmen bis 1816 weiter. Unter ihrer Leitung entstand demnach auch der Entwurf zu diesem Leuchtertypus.

Der Goldschmied Friedrich Jakob Biller (1747-1810) entstammte einer berühmten Augsburger Goldschmiededynastie, die seit dem 17. Jahrhundert insgesamt 15 Goldschmiedekünstler hervorgebracht hatte. Mit dem Leuchterpaar Billers, der in einer für die Goldschmiedestadt Augsburg typischen Spezialisierung ausschließlich Tafelleuchter anfertigte, besitzt das Maximilianmuseum ein herausragendes Werk dieses letzten als Goldschmied tätigen Familienmitglieds.

Dr. Christoph Emmendörffer

Abbildung:
Friedrich Jakob Biller (1747-1810)
Silber, vergoldet, getrieben, gegossen und graviert
H. 33 cm
Gew. je 1400 g
© Kunstsammlungen und Museen, Augsburg – Maximilianmuseum