Wiener Gelehrter in Memmingen

Strigel-Museum, Memmingen

Bernhard Strigels Johannes Cuspinian und seine Familie aus dem Jahr 1520 ist das vielleicht bedeutendste Werk im Œuvre dieses Memminger Malers. Über Jahrhunderte war der Künstler völlig vergessen. Einige seiner Werke waren mangels eines dokumentierten Autors dem Notnamen ›Meister der Sammlung Hirscher‹ zugeschrieben. Erst 1880 entdeckte der Kunsthistoriker Wilhelm von Bode eine Inschrift auf der Rückseite des Bildes von Johannes Cuspinian und seiner Familie. Sie benannte Bernhard Strigel als den Maler dieses Gemäldes und auch als den Malers des bekannten Porträts der Familie des Kaisers Maximilian I. (1515), welches sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet. Dies begründete die Kunstgeschichte zu Bernhard Strigel.

Das Bild zeigt den Wiener Gelehrten Johannes Cuspinian (1473–1529), seine zweite Frau Agnes (c. 1479–1525) sowie seine Söhne aus erster Ehe, Sebastian Felix (1505–1537) und Nicolaus Chrisostomus (1508–?).

Johannes Cuspinian (latinisiert für Johannes Spießheimer) war Gelehrter und Diplomat in habsburgischen Diensten. In Wien studierte und lehrte er die klassischen Sprachen, Literatur, Philosophie und zuletzt Medizin. Er wirkte als Dichter und vor allem auch als Herausgeber antiker Texte. 1510 trat er in den diplomatischen Dienst von Kaiser Maximilian I. ein und vertrat das Habsburgerreich für mehrere Jahre am ungarischen Hof. Er wurde zum kaiserlichen Rat erhoben und bekam später die Ämter des Superintendenten der Wiener Universität und des Anwalts der Stadt Wien verliehen.

Cuspinian war maßgeblich am Zustandekommen der Wiener Doppelhochzeit von 1515 beteiligt. Dem Bild der kaiserlichen Familie von Bernhard Strigel, das diese Verbindung dokumentiert, ließ Cuspinian im Jahr nach dem Tod Maximilians dieses Bild seiner eigenen Familie gegenüberstellen.

Die Provenienz des Bildes ist weitgehend dokumentiert. So befand es sich im 17. Jahrhundert in der Sammlung des britischen Königs Charles I. und wurde 1821 von Kaiser Friedrich Wilhelm III. für die geplante Nationalgalerie in Berlin erworben. 1913 ging es im Tausch in die Sammlung von Graf Johann Nepomuk Wilczek auf Burg Kreuzenstein in Niederösterreich über, wo es bis 1964 verblieb. Seitdem hat es mehrfach den Besitzer gewechselt.

Axel Lapp

Abbildung: Bernhard Strigel (1460–1528): Johannes Cuspinian und seine Familie (1520), Öl auf Lindenholz, 71 x 62 cm