„Weiden II“ nach 80 Jahren wieder zurück im Angermuseum

Kunstmuseen der Stadt Erfurt, Angermuseum

Im August 1937 verliert das Angermuseum im Zuge der NS-Aktion »Entartete »Kunst« 1073 Werke der bildenden Kunst aller Gattungen, die nunmehr als »Verfallskunst« diffamiert werden; darunter alle 34 Werke von Christian Rohlfs. Der Achtundachtzigjährige erhält Malverbot und wird am 7. Januar 1938, einen Tag vor seinem Tod, von der Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste, mit der er anlässlich seines 75. Geburtstages 1924 beehrt worden war, wieder ausgeschlossen.

Ab 1870 studiert der gebürtige Holsteiner an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar, die als erste deutsche Kunstakademie den Studiengang Freilichtmalerei in ihr Lehrprogramm aufnimmt; erst 1884 beendet Rohlfs dort sein akademisches Studium. Auch nach dem Weggang aus Thüringen bleibt er der Gegend um Weimar und Erfurt verbunden; beide Orte liefern ihm die Motive ganzer Bildreihen. Der ausgesprochen zögerlich, aber mit langem Atem und insistenter Beobachtung jüngster Entwicklungen den eigenen Weg sich bahnende Maler erarbeitet sich als Sechzigjähriger einen Spätstil, der ihn in Deutschland als Avantgardisten im Kontext des Expressionismus erscheinen lässt, worin kein zweiter seines Jahrgangs ihm gleichkommt. Doch im Gegensatz zu manchen rasch profilierten Jungen, die sich voll verausgaben und deren expressives Schaffen nicht selten ermüdet, statt in ein erfahrungsgesättigtes Spätwerk zu münden, baut Rohlfs sein Werk Zug um Zug auf.

Das Weidenmotiv beschäftigt Rohlfs erstmals 1878, noch ganz unter dem pleinairistischen Gesichtspunkt des von der École de Barbizon beförderten Naturalismus; das Thema begleitet ihn in den neunziger Jahren. Als er 1904 das Motiv mit sieben Gemälden erneut aufgreift, sind die Prämissen der Arbeit am Sehen andere geworden. Jetzt tritt die »Natur der Darstellung« einer dargestellten Natur sichtlich gegenüber, statt mit ihr zu verschmelzen. Die ostentative Offenlegung des bildnerischen Verfahrens, dessen zeichnerisch flirrender Duktus auf die Energetisierung der farbigen Erscheinung abzielt, verbindet Rohlfs mit seinem ebenfalls in Weimar ansässigen Kieler Landsmann Carl Arp. (Beider Werke wurden und werden gelegentlich verwechselt.) Das Vorbild ihrer aus starkfarbigen, unvermischten Strichkürzeln und dynamisierenden, linearen Schwüngen gewonnenen Bilderscheinung heißt Vincent van Gogh. Aber auch der zeitgenössische Jugendstil mit seiner ondulierenden Flächenschönheit gehört noch mit zur Latenz der bildnerischen Ordnung. Die Rohlfs’ visuelle Konzeption immer wieder aufs neue anregenden Weiden im Weimarer Schanzengraben stehen unweit des Bauplatzes, auf dem Henry van de Velde ab 1907 sein Wohnhaus »Hohe Pappeln« errichten wird.

Dr. Wolfram Morath-Vogel

Abbildung: Christian Rohlfs, Weiden II (im Schanzengraben bei Weimar),1904, Öl auf Leinwand, 60,5 cm x 78 cm