Votivschatz

Archäologische Staatssammlung München

Bei dem aus dünn ausgetriebenen Goldblech bestehenden Ensemble handelt es sich um eine doppelt angelegte Trinkgefäßgaritur aus je zwei annähernd gleichgroßen Schalen bzw. konischen Bechern sowie um eine spitzbödige, kleine Enghalsflasche, die möglicherweise als Spendengefäß diente. Der vom Ostrand des Nördlinger Rieses stammende Fund ist einer Gruppe verwandter Gefäße der späten Bronze- und Urnenfelderzeit zuzuordnen, die in auffälliger Form-, Größen - und Verzierungsähnlichkeit spärlich über weite Teile West-, Mittel- und Nordeuropas verbreitet sind.

Den charakteristischen Abdrücken und Verformungsmerkmalen nach waren diese reich ornamentierten Meisterwerke antiker Goldschmiedekunst ineinander gestapelt, d.h. als geschlossener Satz in den Boden gelangt. Nach Zeitstellung, Zusammensetzung und Deponierungsart gehört dieses Goldgefäß-Ensemble damit zur Fundkategorie der so genannten Votivschätze, wie sie von der Forschung übereinstimmend als Deposita von kostbarem Sakralgerät bzw. als Ausdrucksformen eines europaweit verbreiteten Kultgeschehens angesehen werden. Vermutlich gehörtes sie einst zum Inventar eines Heiligtums, also zum Bestand eines „Tempelschatzes“, bevor man sie im Zuge einer sorgfältigen, vorbedachten Deponierung rituell „bestattete“ und damit zugleich dem Zugriff Unbefugter entzog. Für eine kultische Funktion dieser Goldgefäße - etwa beim Vollzug sakraler Trankopfer-Riten durch eine fürstlich-priesterkönigliche Personenschicht im Rahmen eines Sonnenkults - sprechen neben ihrer exquisiten Herstellungsqualität die Wahl des unvergänglichen, glänzenden Metalls Gold, dessen Farbe man mit der Sonne assoziierte wie auch ihre flächige, geometrisch-abstrakte Treibverzierung. Deren Punzmuster sind nach Art der so genannten Sonnenscheibensymbole zum vielfältig variierten Grundmotiv eines Kreises voller kreisbezogener Ornamente komponiert. Nach dem jungbronzezeitlichen Goldfund von Eberswalde (heute: Puschkin-Museum, Moskau) handelt es sich bei dieser Neuerwerbung um den derzeit größten in Deutschland präsentierbaren Goldgefäßhort der Spätbronze- bzw. der Urnenfelderzeit. Die landesgeschichtliche Bedeutung resultiert zudem aus dem mutmaßlichen topographischen Bezug des überlieferten Fundareals zu einer der großen befestigten Höhensiedlungen Süddeutschlands.

Ludwig Wamser

Abbildung:

Depositum von fünf Goldgefäßen (zwei Schalen, zwei Bächern, eine Flasche), Hoppingen, Landkreis Donau-Ries, Bayern, Späte Bronze-/Urnenfeldzeit 14.-9. Jahrhundert v. Chr.
©Archäologische Staatssammlung München