Verkündigung

Museum der bildenden Künste, Leipzig

El Greco hat das Thema der Verkündigung (Lukas 1, 26-28) in zahlreichen Fassungen dargestellt. Die frühesten, kleinformatigen Gemälde entstanden während seines Aufenthaltes in Italien (1560/65-1576) und bezeugen die Mitarbeit El Grecos im Atelier des Venezianers Tizian, den Einfluss Tintorettos und El Grecos Studium der Werke Michelangelos in Rom. Jene frühen Werke, in den warmen Farbklängen der venezianischen Maliere gehalten, zeigen die Verkündigung durch den Erzengel Gabriel in klar definierten Räumen mit streng gegliedertem Fußboden (vgl. z.B. das um 1565 entstandene Triptychon in der Galleria Estense, Modena).

1577 kam El Greco nach Toledo, die damalige geistige Mitte Spaniens. Die Stadt war als Sitz des Kardinal-Erzbischofs und der Inquisition Zentrum des spanischen Katholizismus und der mystischen Theologie. Hier reife El Greco zum Hauptmeister des Manierismus und Maler der Gegenreformation.

In den verschiedenen um und nach 1600 entstandenen Versionen der „Mariä Verkündigung“, zu denen auch dieses Gemälde gehört, beschränkt sich El Greco auf die Begegnung Marias mit dem Erzengel, der auf einer Wolke mit wehendem, bewegt geknittertem Gewand und hoch erhobener Rechten hereinschwebt und in seiner Linken eine Lilie trägt. Marias Welt wird mit einem Betpult, einem Buch, einem Nähkörbchen und einer Vase mit flammenden Blumen angedeutet. Die Begebenheit wird vom Realen losgelöst: Himmelswolken überdecken alles Irdische, Lichtströme gehen von der Taube des Heiligen Geistes aus. Maria, von jugendlicher Schönheit, wir immer mit großen dunklen Augen und spitz zulaufendem Gesicht charakterisiert, über die Haare ist eine miniaturhaft gemalte Spitzenmantilla gebreitet, die das Spanische betont. Stets neigt der ephebenhafte Engel-Jüngling zärtlich, fast verliebt sein lockiges Haupt zur aufblickenden Maria.

El Greco hat in seiner gut organisierten Werkstatt in Toledo von beliebten Motiven, wie z.B. der Verkündigung, zahlreiche Repliken gemalt oder von Gehilfen anfertigen lassen. Da die Bilder selten signiert sind, ist die Frage nach der Authentizität oft schwer zu beantworten. Diese „Verkündigung“ könnte mit einem bislang als verschollen geltendem Werk von identischen Maßen übereinstimmen.

Maria Zsilla

Abbildung: © Museum der bildenden Künste Leipzig

El Greco [?]
Die Verkündigung, um 1600/05
Öl / Leinwand, 50 x 42cm
Museum der Bildenden Künste, Leipzig (Nachlass Dr. Ernst von Siemens; Dauerleihgabe)