Ungewöhnliche Verbindung von Klassischem und Symbolischem: Zwintschers "Knabe und Lilie" und "Sturm" erworben

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum

Das großformatige Gemälde Sturm stammt aus der frühen Schaffensphase des Künstlers. Ausgehend von seinen Lehrjahren an der Dresdner Kunstakademie suchte Oskar Zwintscher ab dem Jahr 1893 in Meißen seinen eigenen künstlerischen Weg. Anregungen fand er unter anderem im Schaffen von Max Klinger sowie insbesondere bei Anselm Feuerbach und Arnold Böcklin. Dessen Werke lernte Zwintscher in München kennen, wo er ein Betätigungsfeld als Illustrator für eine Humorzeitschrift fand. Böcklins in der Schack-Galerie ausgestelltes Meisterwerk Pan erschreckt einen Hirten (um 1860) transformierte Zwintscher hier in eine skurrile Balgerei nordischen Charakters. Sturm ist eines der wenigen Figurenbilder von Oskar Zwintscher mit einem gewissen mythologischen Gehalt. Die beiden Gestalten bilden jedoch nur bedingt ein erzählerisches Moment innerhalb einer bewegten Szenerie, deren Darstellungsmodi auf Zwintschers spätere Landschaftsmalerei hinweisen. Die elementaren Kräfte der Natur werden mit gezielt eingesetzten Mitteln gekonnt zum Ausdruck gebracht. Hauptmotiv des Bildes Knabe und Lilie ist ein ephebenhafter Jüngling, um 1900 ein wiederkehrendes Sujet in symbolistischer Malerei und Skulptur sowie in kulturhistorischen Kontexten der Lebensreform. Versonnen und eingehend betrachtet der Heranwachsende die bereits vollständig entfaltete blaue Blüte einer langstieligen Schwertlilie. Durch gezielte Lichtführung und Hell-Dunkel-Effekte wird die Nacktheit des langgestreckten Körpers hervorgehoben. Die sexualmoralische Widersprüchlichkeit des Werkes ist darüber hinaus im Kontext der mitteleuropäischen Décadence zu betrachten. Heute noch hochaktuelle, in weiten Besucherkreisen zu diskutierende, gesellschaftlich relevante Themen wie Ästhetizismus, Adoleszenz, Todessehnsucht und Geschlechterrollen sind darin enthalten. In seiner ungewöhnlichen Verbindung von Klassischem und Symbolischem steht das Bild für den Aufbruchswillen junger sächsischer Künstler um 1900, welche die Tradition der Antike und der Alten Meister nicht außer Acht ließen. Zudem belegt das Werk Zwintschers Kenntnis der zeitgenössischen englischen und französischen Malerei, die er in seine eigene Bildsprache einzubinden verstand.

 

Abbildungen:

1 Oskar Zwintscher, Knabe und Lilie, 1904, Öl auf Leinwand, 78,2 cm x 160 cm © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum

1 Oskar Zwintscher, Sturm, 1895, Öl auf Leinwand, 136 cm x 161 cm © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum