Tilman Riemenschneider, Maria mit Kind, um 1500

Mainfränkisches Museum Würzburg

Die Skulptur zeigt eine stehende Muttergottes mit Kind, Maria setzt den linken Fuß auf eine kleine Mondsichel, ihren Kopf wendet sie dem Knaben zu, den sie in ihren Armen trägt. Er liegt auf dem Schleier, den Maria vom Kopf über ihre rechte Schulter vor den Körper gezogen hat und mit beiden Händen hält. Die kreisförmige Führung des heute nicht mehr vollständig erhaltenen Schleiers schließt den nackten Körper des Kindes und das Gesicht der Mutter optisch eng zusammen. Die Gesamtanlage der Gottesmutter prägte einen in der Riemenschneider-Werkstatt ab etwa 1505 bis in die 20er Jahre des 16. Jahrhunderts hinein geläufigen Typus: Die Madonnen aus St. Leon bei Wiesloch (heute: Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg), aus dem Gerolzhofener Altar (heute: Bayerisches Nationalmuseum, München) und aus Gramschatz (heute: Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover) zeigen eine ähnliche Körperhaltung und Gewanddrapierung. Zudem erhalten die Gesichter von Mutter und Kind durch ihre runde Grundform, die mandelförmigen Augen, die ebenmäßigen Nasen und die schmalen Münder jenen sanften Grundton, der für die Arbeiten Riemenschneiders charakteristisch ist. Die Madonna beeindruckt durch ihre plastische Modellierung und detaillierte Wiedergabe: Das Gewand umspielt in weich fallenden Bahnen den Körper; die Gesichter werden von sorgfältig ziselierten Haaren umrahmt. Die Akkuratesse der Bearbeitung findet sich auch an den Händen und an den verzierten Gewandsäumen. Die herausragende Bearbeitungsqualität weist die Figur als eigenhändiges Werk Riemenschneiders aus, das im Hinblick auf die Vergleichsstücke um 1500 entstanden sein muss. Die Madonna stand ursprünglich auf einem mit aus dem Holzblock geschnitzten, heute abgearbeiteten Sockel. Er weist die Skulptur gemeinsam mit der schmalen, sorgfältig ausgeführten rückwärtigen Höhlung als dreiviertelrund gedachte Plastik mit intendierten Seitenansichten aus. Dies legt ihre separate Aufstellung vor einer Wand, vermutlich auf einer Konsole nahe. Die Figur war ursprünglich nicht farbig gefasst, sondern mit einem eingetönten Leim überzogen; nur Details wie die Pupillen der Augen oder die Lippen waren farbig angegeben. Bei der Restaurierung konnten 28 spätere Farbschichten nachgewiesen werden, die die Schnitzerei vollständig verunklärten. Heute zeugen die geschlossene, stark räumliche Figurenanlage und die sorgfältige Bearbeitung der Details wieder von der hohen künstlerischen Qualität dieser Figur.

Claudia Lichte

Abbildung:

Maria mit Kind, Tilman Riemenschneider, Würzburg, um 1500
©Mainfränkisches Museum Würzburg