Statue eines beleibten Mannes
Staatliche Ägyptische Sammlung, München
Metallskulpturen treten in der altägyptischen Kunst erst mit dem Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. In größerer Zahl auf. Ein vor zwei Jahrzehnten bekannt gewordener Komplex von zehn Kupferfiguren des späten Mittleren Reiches, der Zeit um 1800 v. Chr., zu dem die Statue eines beleibten Mannes zählt, ist nihct nur technikgeschichtlich von größter Bedeutung, sondern eröffnet im Realismus seiner Menschendarstellung eine bislang unbekannt gebliebene Dimension der altägyptischen Kunst.
Die fülligen Körperformen, der kurze gedrungene Hals und die völlig asymmetrische, kantige Form des Schädels widersprechen den formalen und stilistischen Vorgaben der künstlerischen Tradition, die der idealisierenden Komponente der ägyptischen Kunst stets einen hohen Stellenwert zuerkennen. An ihre Stelle tritt, wohl gefördert durch die freieren Gestaltungsmöglichkeiten am Wachsmodell der Gussform, eine an der Realität orientierte Darstellungsweise von schockierender Unmittelbarkeit des Ausdrucks. Neuartig in Material und Technik, betritt die monumental wirkende Statue auch stilistisch Neuland. Durch Inschriften anderer Stücke diesen Statuenkomplexes in die Zeit um 1800 v. Chr. datiert, nimmt sie stilistische Entwicklungen vorweg, die ein Jahrtausend später die Kunst der Spätzeit prägen werden.
Sylvia Schoske
Abbildung: ©Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München, ÄS 7105, Foto: Marianne Franke
Statue eines beleibten Mannes
Wahrscheinlich aus Hawara / Fayum, Ägypten
Mittleres Reich, 12. Dynastie, um 1800 v. Chr.
Kupfer (Vollguss), Augeneinlagen aus Elektrum,
30 cm hoch
Staatliche Sammlung Ägyptischer Kunst, München