Seger Bombeck, Tapisserie mit dem Bildnis Kaiser Karls V. 1545

Staatliche Schlösser, Burgen & Gärten Sachsen gGmbH

Signiert und datiert mit dem Monogramm SB für Seger Bombeck 1545 zeigt das von Blumen- und Früchtengirlanden umrahmte Mittelfeld ein Halbfigurenbildnis des Habsburger Kaisers Karl V. In der rechten Hand ein Schwert haltend steht er in einer steinernen Bogennische und blickt seitlich aus dem Bild in die Ferne.

Er trägt eine schwarzgraue Samtjacke, deren obere Ärmel mit rötlichen gebauschten Stoffschnüren verziert sind. Auf dem Kopf sitzt ein schwarzes Barett. Die linke Hand hält den ausgezogenen Handschuh der rechten. Der vollbärtige Kaiser trägt den Orden des Goldenen Vlieses.

Links und rechts des steinernen Rundbogens erscheint das kaiserliche Wappen des schwarzen Doppeladlers sowie das habsburgische Hoheitszeichen. Das Mittelfeld sitzt einem Gemälde gleich in einem illusionistischen profilierten Bilderrahmen. Mittig über dem Kaiserbildnis befindet sich eine Kartusche mit einer goldenen Inschrift auf rotem Grund: KAROL V/ DEI/GRA/ROM/IMP/SER/AUGUST/& HISPANARUM/REX/ SB. (Karl V., von Gottes Gnaden durchlauchtigster Kaiser des römischen Reiches und König von Spanien, SB für Seger Bombeck)

Den Bildrahmen bedecken oben und unten geflochtene Eichenblattgirlanden, die untere Mitte wird durch eine reife Weintraube hervorgehoben. Die seitlichen Rahmenflächen mit Palmbaumranken geschmückt, die mit Blumen und Früchten umwoben sind. Im seitlichen und unteren Rankenbereich sitzen Vögel: Seidenschwanz, Eichelhäher, Elster, Gimpel und Stieglitz. In der unteren Teppichkante ist die Jahreszahl 1545 eingewebt.

Die symbolgeladene Darstellung des Kaisers entspringt aus der Porträtmalerei der Cranachära. Der Kaiser mit dem Reichsschwert dokumentiert Stärke und Sicherheit für Recht und Ordnung im Reich. Früchte und Eichenlaub symbolisieren die fruchtbare Herrschaft, Palmblätter zeugen von der christlichen Tugend. Die Vögel können als unterschiedliche Sinnbilder interpretiert werden. Während der Stieglitz im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Frühen Neuzeit als Marien- und Christussymbol bekannt ist, hatten Eichelhäher und Elster eher den Ruf Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, während der Seidenschwanz gar als Pestvogel und Brandstifter angesehen wurde. Hier erhebt sich womöglich die Frage nach hintergründigen Botschaften zur reinen Lehre Christi und den Kampf zwischen Protestanten und Katholiken. Ein Parallelbeispiel dafür ist der vor wenigen Jahren von der Ernst von Siemens Kunststiftung für die Stiftung Weimarer Klassik erworbene so genannte Reformationsteppich aus der Werkstatt Seger Bombecks, auf welchem eine ähnliche Tiersymbolik erscheint: Der auferstehende Christus überwindet den Tod, rechts von ihm überwindet Luther den Papst und die Mönche, links erlegt die Eule eine Elster. Auf den Einblattholzschnitten der Reformationszeit erschien die Elster als Gegner der lutherischen Lehre.

Der Webteppich mit dem Bildnis von Kaiser Karl V. ist auf das Engste mit der sächsischen Landesgeschichte und Kunstgeschichte verknüpft. Gleichzeitig ist er ein signifikantes Kunstwerk, welches die gesamteuropäische Politik und Religionsgeschichte reflektiert.

Der Auftraggeber für den Bildteppich war höchstwahrscheinlich Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen, Führer der protestantischen deutschen Länder, der mit seiner besonderen Leidenschaft für Tapisserien niederländische Bildwirker, wie Heinrich von Hohenmühl, oder Seger Bombeck nach Sachsen holte, um seine Schlösser in Torgau, Wittenberg und Weimar mit mehr als 300 Wirkteppichen ausstatten zu lassen. Von Seger Bombeck ist bekannt, dass er wohl aus Flandern stammend, in Brüssel seine Ausbildung erhielt, bevor er nach Sachsen umsiedelte. Nur ca. neun Werke sind bisher für ihn verbürgt. Auffallend dabei ist, dass er mehrere Porträtteppiche angefertigt hat. 1543 bestellte Kurfürst Johann Friedrich bei ihm einen heute nicht mehr erhaltenen Teppich mit dem Porträt des Herzogs Wilhelm V. von Jülich. Anders der um 1550 entstandene Teppich mit dem Ganzfigurenbildnis des Herzogs August von Sachsen, dessen Herkunft noch nicht geklärt ist, der sich aber im Metropolitan Museum in New York erhalten hat. Weitere Porträtteppiche folgten. Für die Bildwirker Johann Friedrichs arbeiteten in Torgau neben der Cranachwerkstatt in Wittenberg auch andere Hofmaler wie Hans Krell. Cranach d. J. wird im Jahr 1545 für zwei Porträts Karl V. bezahlt, wobei man annehmen darf, dass nach einer dieser Vorlagen der Kaiserteppich entstand.

Der Bildteppich Kaiser Karls muss um 1543/44 hergestellt worden sein, um im signierten Jahr 1545 fertig gestellt zu werden. Damals war es nicht absehbar, dass der Kaiser militärisch gegen die Protestanten vorgehen würde, so dass wir annehmen dürfen, dass der Bildteppich als Treuebeweis des reformierten Fürsten gegenüber dem katholischen Kaiser gelten sollte. Nach der Übernahme der sächsischen Kurwürde durch den albertinischen Herzog Moritz nach der Schlacht bei Mühlberg 1547, bei der der Kaiser das protestantische Heer Johann Friedrichs besiegte, gelangten das ernestinische Schloss Hartenfels Torgau im Kurkreis in Moritz´ Besitz, so dass es ihm möglich wurde, auch einzelne Kunstwerke daraus nach Dresden zu holen. Zunächst hängt Bombeck den Wirkteppich jedoch 1547 anlässlich der Hochzeit des Universitätskanzlers und Unterstützers des Herzogs Moritz von Sachsen, Dr. Badehorn, im Leipziger Rathaus auf, was darauf schließen lässt, dass der 1545 in Leipzig sesshaft gewordene Meister den Teppich noch nicht beim Besteller abgeliefert hatte. Von dort muss der Teppich nach Dresden gelangt sein. Bereits im frühesten erhaltenen Inventar der Tapetenbestände des ab 1547 neu erbauten Dresdner Residenzschlosses erscheint der Teppich 1553 im so genannten Steinernen Gemach, einem der Fest- und Repräsentationsräume in der 2. Etage. Das neue Residenzschloss und weitere neue Schlossbauten erhielten unmittelbar nach der Übernahme des Kurfürstentitels durch Moritz eine repräsentative und mit politischen Aussagen aufgeladene Ausschmückung. Neben Wand- und Tafelmalereien boten sich dazu hauptsächlich großformatige Bildteppichserien an. Moritz von Sachsen übernahm die niederländischen Bildwirker seines geschlagenen Kontrahenten Johann Friedrich und beschäftigte sie weiterhin mit Großaufträgen, wie z.B. der Serie zum Türkenfeldzug 1542 in Ungarn, an dem er teilgenommen hatte. Mit Sicherheit kannte Moritz von Sachsen die gleichnamige Serie aus dem Besitz Kaiser Karl V., an dessen Hof er sich 1543 für 4 Wochen aufgehalten hatte.

Die heute verlorene Dresdner Serie der Türkenteppiche war ebenfalls im Steinernen Saal des Schlosses aufgehängt. Moritz von Sachsen präsentierte sich als siegreicher Feldherr, hatte er doch auch seinen vormaligen Verbündeten, Kaiser Karl V., 1552 militärisch in die Enge getrieben und damit dem protestantischen Reichsfürsten die Möglichkeit auf einen Religionsfrieden eröffnet. Neben dem Porträtteppich Karls V. befand sich 1553 ein Porträtteppich mit dem Lutherbildnis im Steinernen Saal. Mit dieser Bildaussage war sichergestellt, dass Kurfürst Moritz weiterhin fest im protestantischen Fürstenlager verankert blieb, gleichzeitig aber dem Kaiserhaus diente.

Der Teppich Karls V. überlebte den Schlossbrand von 1701, bei dem die überwiegende Mehrheit der 238 beim Tode des Kurfürsten Moritz 1553 verzeichneten Wirkteppiche vernichtet wurde. Bis 1918 befand er sich im Dresdner Schlossmuseum. Im Zuge der Auseinandersetzung des Freistaates Sachsen mit dem Verein Haus Wettin albertinischer Linie e.V. (ehemaliges Königshaus) gelangte der Teppich nach 1924 nach Schloss Moritzburg. Dieses, 1542-46 von Herzog Moritz errichtete und von König August II. in die heutige Form umgebaute Jagdschloss, verblieb bei der Wettiner Familie nach der Fürstenabfindung mit der Auflage, es an 150 Tagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Kunsthistoriker Dr. Erwin Hensler bezog dabei den Bildteppich für seine neue Museumskonzeption in die nach Zeitepochen gegliederten Räume unter die Ära des Kurfürsten Moritz ein, bis 1945 das Kriegsende die Auflösung der Sammlung besiegelte. Der Bildteppich ist eines der wenigen Kunstwerke, die der in die westliche Besatzungszone geflohene Prinz Ernst Heinrich von Sachsen mitnehmen konnte. In den 1950-er Jahren siedelte er mit seiner Familie nach Irland über. Von dort nahmen seine Söhne Prinz Gero und Prinz Dedo den Teppich mit nach Kanada, wo sie sich ansiedelten und erst nach 2002 wieder nach Sachsen kamen. Mit ihnen kam der Bildteppich zurück. Dieser wurde an die Galerie Rudigier in München verkauft und von dort an die Galerie Rudigier in London. Mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder konnte das Kunstwerk nun für Schloss Moritzburg bei der Sächsischen Schlösser, Burgen & Gärten gGmbH zurückerworben werden

Margitta Hensel

Abbildung:

Tapisserie mit dem Bildnis Kaiser Karls V. aus der Werkstatt des Seger Bombeck Wittenberg/ Leipzig, datiert 1545
Fotograf: Carlo Böttger
© Staatliche Schlösser, Burgen & Gärten Sachsen gGmbH