Richard Paul Lohse, Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen, 1950/1962

Museum für Konrete Kunst, Ingolstadt

Richard Paul Lohses Werk „Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen“ ist beispielhaft für sein künstlerisches Schaffen. Strenge Methodik bei gleichzeitiger Entfaltung sinnlicher Farben bestimmt den Eindruck der Arbeit. Lohse, der die Kunst immer als Ausdruck seiner Zeit und ihrer Gesellschaft verstanden wissen wollte, hat konsequent wie nur wenige andere Künstler einen bildnerischen Kosmos geschaffen, der sich durch vollkommene Flächigkeit der Komposition und Neutralität des Farbauftrags auszeichnet. So ist das Bild vollständig mit rechteckigen und quadratischen monochromen Feldern unterschiedlicher Größe überzogen. Alle Farben sind im Bild gleich oft vertreten und besitzen dadurch dieselbe Wertigkeit. Was auf den ersten Blick als ungeordnet erscheinen mag, ist tatsächlich das Ergebnis eines strengen Prinzips, das die Anordnungen der einzelnen Felder bestimmt - sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung. Es basiert auf gleichmäßigen Wiederholungen, rhythmischen Verschiebungen und symmetrische Strukturen. Dabei vermeidet Lohse bewusst eine standardisierte, in sich abgeschlossene Rasterung, die das einzelne Element zu einem austauschbaren Baustein degradieren würde. Seine Strukturen zeichnen sich vielmehr durch Gleichberechtigung der Elemente, durch Offenheit und Fortsetzbarkeit aus. Wie in einem Kreislaufsystem offenbart sich in ihnen ein universelles Prinzip der Farben und Kombinationen. Jede Veränderung einer Farbe innerhalb einer Reihe hätte eine Veränderung der Gesamtstruktur zur Folge. So gibt es keine dienenden und hervorgehobenen Bildelemente wie in der traditionellen Kunst, sondern nur gleichwertige, die sich gegenseitig bedingen und ergänzen.

„Die Methode ist das Bild“, gehört zu den wichtigsten Aussagen Richard Paul Lohses, die er über sein Werk getroffen hat. Sie ist zentral für das Verständnis seiner Arbeit. In akribischer Detailarbeit hat Lohse gezeichnet und gerechnet und seine Bildstrukturen entwickelt, bevor er sie auf die Leinwand übertragen hat. Tauchen zwei Datumsangaben auf wie im Fall von „Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen“ (1950/62), so weisen sie auf die Jahre des Entwurfs und der späteren Ausführung hin.

Alle Methode aber hat bei Lohse letztlich eine tiefere Bedeutung, wie er selber ausführte: „Die Aufhebung dienender Teile gehört zu einer der wesentlichsten Aufgaben demokratischer Bildstrukturen.“ So hat Lohse mit seinem Werk ein eindrucksvolles künstlerisches Modell für die Utopie eines idealen demokratischen Zusammenlebens geschaffen. Es begründet seinen herausragenden Rang nicht nur innerhalb der Konkreten Kunst, sondern in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. „Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen“ gehört zu den zentralen Werken dieses bedeutenden Œuvres.

Rasmus Kleine

Abbildung:

Richard Paul Lohse (1902-1988), Fünfzehn systemische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen, 1950/1962. Öl auf Leinwand, 150cm x 150cm.

© Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt