Reliquiar in Gestalt eines buchartigen Diptychons, 14. – 17. Jahrhundert

Museum Schnütgen, Köln

Bei dieser Neuerwerbung handelt es sich um ein überaus kostbares Kunstwerk, das zugleich ein einzigartiges kulturgeschichtliches Dokument darstellt. Das kastenförmige Diptychon wurde wohl in Nordfrankreich im 17. Jahrhundert unter Verwendung älterer Teile zusammengesetzt. Der mit Samt bespannte Eichenholzkasten bildet offenbar die neuere Fassung eines älteren und kleineren Reliquiendiptychons aus dem 16. Jahrhundert in rot bemalter Umrahmung. Dieses birgt in seiner heraldisch rechten Seite ein silbernes Reliquienkreuz aus dem 14. Jahrhundert, das im Zentrum unter einem kleinen aufklappbaren Kruzifix eine Kreuzreliquie enthält. Darüber befinden sich drei mit Klosterarbeit gestaltete Reliquiendepositorien unter Bergkristallen, daneben und darunter Schmucksteine. Die Elemente sind ebenso wie auf dem gegenüberliegenden Flügel in bemalte Leinwand eingelassen. Die andere Seite zeigt in der Mitte eine Vera Ikone als Hinterglasmalerei auf Goldgrund zwischen zwei Reliquienbehältnissen, ebenfalls unter Bergkristall.

In der Montage des 17. Jahrhunderts wird dieses ältere Diptychon von zwei getriebenen Reliefs aus vergoldetem Silber verschlossen, welche die Kreuzigung und Auferstehung Jesu darstellen und an Scharnieren beweglich sind. In den Ecken der Umrahmung sind acht weitere, quadratische Silberreliefs angebracht, welche die Symbole der vier Evangelisten und vier Propheten mit Spruchbändern darstellen. Diese zehn französischen Silberreliefs des 14. Jahrhunderts, deren genauere stilistische Einordnung noch zu erforschen ist, bilden zweifellos den künstlerisch bedeutendsten und wertvollsten Bestandteil des kuriosen Ensembles.

Der besondere Wert dieser Erwerbung für die Sammlung des Museum Schnütgen besteht einerseits in diesen Reliefs, welche die Abteilung der europäischen Goldschmiedearbeiten und Elfenbeinskulpturen des 14. Jahrhunderts um ein besonders prachtvolles französisches Beispiel ergänzen. Andererseits spielen Reliquiengefäße unterschiedlichster Form eine große Rolle im Museum Schnütgen. Auch in diesem Kontext stellt dieses Diptychon mit seiner überaus spannenden Entstehungsgeschichte eine ganz besondere Bereicherung des Museums dar.

Dr. Moritz Woelk