Reinhold Begas, Pan als Lehrer des Flötenspiels (Erstfassung in Marmor), 1868

Begas-Haus, Museum für Kunst- und Regionalgeschichte, Heinsberg

Zu den in Rom entstandenen Werken, die Begas´ Ruhm als Wegbereiter der neubarocken Skulptur begründeten zählt die 1858 in Gips und Ton als Modell entstandene und zehn Jahre später, 1868, erstmalig in Marmor ausgeführte Zweiergruppe Pan als Lehrer des Flötenspiels. Die Darstellung geht auf die antike Mythologie zurück: In seinen Metamorphosen berichtet der römische Dichter Ovid (I, 689-713), dass die Nymphe Syrinx aus Furcht vor den Nachstellungen des bocksbeinigen Naturgottes Pan die Götter um Hilfe anflehte und daraufhin in ein Schilfrohr verwandelt wurde. Der Verschmähte schnitzte sich aus dem Rohr eine Flöte, die seither als Syrinx oder Panflöte bekannt ist. Schon die Bildhauer der Antike hatten sich des Themas angenommen. So konnte Begas während seiner Zeit in Rom in der Sammlung Ludovisi die antike Gruppe Pan lehrt Daphnis das Syrinxspiel (heute Rom, Museo Nazionale, Inv.-Nr. 8571) bewundern, die ihm wohl als Anregung für seine eigene Bildschöpfung diente. Er griff lediglich das Motiv des Flötenspiels auf und formte es humorvoll um: Bei Begas hält der auf einem Felsblock sitzende Pan in seinem zottigen Schoß einen kleinen nackten Knaben (den Liebesgott Eros?), den er das Flötenspiel lehrt. Mit groben, übergroßen Händen korrigiert er zärtlich und geduldig die unbeholfenen Fingerchen des Kleinen, der konzentriert, mit kindlichem Ernst und vor Anstrengung geblähten Bäckchen in das Instrument bläst.

Die Zweiergruppe zeigt Begas´ Abkehr vom akademischen Stil seiner Lehrer Rauch, Schadow und Wichmann. Dies verbindet ihn mit Arnold Böcklin (vgl. Kat. ##), der um dieselbe Zeit die erste Fassung seines Gemäldes Pan im Schilf (Fassungen in Winterthur, Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten, und München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek) vollendete, während Anselm Feuerbach 1858 ein Gemälde mit Flötenbläser und ruhender Nymphe schuf (WO?). Die genannten Werke sind thematisch eng verbunden und zeugen vom wechselseitigen Einfluss der drei Künstlerfreunde in Rom. Wie Böcklin in der Malerei, so führte Begas mit seinen frühen Skulpturen das ´dionysische Element´ in die bis dahin von klassischer Strenge geprägte Berliner Skulptur ein: Humor und Ironie, Sinnlichkeit und barockes Pathos hielten nun Einzug in die Bilderwelt bereiteten den Weg für das Neubarock, dessen Hauptvertreter Begas mit zahlreichen Denkmalen und Figurengruppen werden sollte. Auch technisch beschritt der Bildhauer mit der Pan-Gruppe neue Wege, indem er gezielt mit den Oberflächenwirkungen des Materials spielte und z. B. unbearbeitete neben fein polierte Partien setzte

Dr. Wolfgang Cortjaens

Abbildung:

Reinhold Begas (1831-1911), Pan als Lehrer des Flötenspiels (Erstfassung in Marmor) von 1868. Carrara-Marmor, 70 x 67 x 40 cm.

© Begas-Haus, Museum für Kunst- und Regionalgeschichte, Heinsberg