Prunkstanduhr, um 1730

Bayerisches Nationalmuseum, München

Von der französischen Mode inspiriert, kamen um 1700 Möbel mit Marketerien in Boulle-Technik in Mode. Der europäische Adel schätzte diese nach dem Hofebenisten Ludwigs XIV, André Charles Boulle, benannte Technik, die durch die Verwendung exotischer Materialien wie Schildpatt und importierte Edelhölzer charakterisiert war. Die eindrucksvolle Bodenstanduhr ist ein herausragendes Beispiel für die Weiterentwicklung dieser aufwendigen Technik in Süddeutschland.

Die Uhr besteht aus drei Teilen, deren geschwungene und gebauchte Rokokoformen harmonisch ineinander übergehen. Das Kopfgehäuse mit reich graviertem Zifferblatt sitzt auf dem Pendelkasten auf, verbunden mit diesem durch eine Öffnung, durch die die Schnüre des Pendelwerks laufen. Der Uhrenkopf ist wie eine Tischpendule der Zeit um 1730 mit seitlich eingerollten Volutenstützen gestaltet. Es scheint, als habe der Schreiner dieser Standuhr nach einem schon mehrfach produzierten Modell für Tischuhren gearbeitet oder als habe er eine andere, heute unbekannte première partie-Variante (d. h. Messingornamente auf andersfarbigem Grund) des Kopfgehäuses lediglich als Pendule und nicht als komplette Standuhr gefertigt. Die Signatur des reich gravierten Zifferblatts durch den Münchner Uhrmacher Johann Georg Ploninger und die Art der Boulle-Marketerie weisen die Uhr als ein Werk aus München in der Nachfolge der Hofwerkstatt von Johann Puchwiser (um 1680-1744) aus. Korpus und Uhrenkopf sind im Stil des Rokoko gehalten. Die Ornamentik der feinteiligen Marketerie in contre partie-Ausführung der Boulle-Arbeit (d. h. Metalle bilden den Ornamentgrund) zeigt jedoch Elemente aus dem Motivrepertoire der frühen französischen Stiche von Jean Bérain aus der Zeit um 1700. Ähnliche Stiche verwendete auch schon Puchwiser für die Prunkmöbel des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern. So stellt die Baldachinarchitektur mit Karyatiden an der Tür des Uhrenpostaments die Übernahme eines bereits vor Jahrzehnten entstandenen Ornamentstichs von Bérain dar. Auf der Vorderseite und den Seiten des Fußes finden sich hingegen von Bandlwerkrahmungen umgebene zeitgenössische Jagdszenen, die in das weiche Zinn eingraviert sind. Der unbekannte Kunstschreiner kombinierte auch andere Materialien als die Ebenisten um 1700. Er verzichtete gänzlich auf Schildpatt und benutzte stattdessen Schlangenholz- und Palisanderfurnier als Kontrast zu den metallischen Marketerien aus Zinn und Messing.

Die Prunkstanduhr stammt aus dem Besitz der Familie von Crailsheim, deren Reichsfreiherrenkrone sich am Fuß der Uhr befindet.

Sigrid Sangl