Pilasterofen in Gestalt eines Fassadenschrankes 1770

GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig

Der Prunkofen hat die außergewöhnliche Gestalt eines über Eck gestellten zweigeschossigen Fassadenschrankes. Von der Architektur inspirierte Pilaster und Gesimsprofile gliedern die von üppigem plastischen Rocaillen- und Rankendekor überwucherte Schauseite. Die Feuerungstür befindet sich auf der Rückseite; so bleibt die Geschlossenheit der „Schrankfront“ ungestört. Die Mitte wird durch eine Rundbogennische betont. Bis zu 88 Zentimeter hohe Kacheln bilden einen einheitlichen plastischen Körper, dessen raumgreifende Wirkung in einem schwungvoll asymmetrisch dekorierten Aufsatz kulminiert.

Seine hervorragend belegte Provenienz aus dem Klosterstift St. Marienthal an der Neiße spricht für die Lokalisierung der Ofenwerkstatt im sächsisch-niederschlesischen Raum. Der Fassadenofen stand in den ursprünglich der Verwaltung der Klosterherrschaft dienenden Repräsentationsräumen im Obergeschoss des Gästehauses „St. Hedwig“. Das unter der Äbtissin Anastasia Rössler 1771 errichtete Gebäude bildete den Abschluss der Neubaumaßnahmen des Klosterhofes im 18. Jahrhundert. Nachdem der Ofen 1965 abgetragen werden musste, wurden die Kacheln vom Kloster mit Umsicht geborgen und aufbewahrt.

Der einfühlsamen Restaurierung ist es zu danken, dass der einzige bisher bekannte Fassadenofen aus dieser Zeit in seiner ursprünglichen Farben- und Formenpracht wiedererstehen konnte und nun ab 2007 im GRASSI Museum für Angewandte Kunst erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

Dr. Eva Maria Hoyer

Abbildung:

Pilasterofen in Gestalt eines Fassadenschrankes 1770
© GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig