Peter Paul Rubens‘ Gregor von Nazianz ist nach 80 Jahren wieder in Gotha zu sehen
Friedenstein Stiftung Gotha
Seit Mitte Juni 2024 hängt im Niederländer Saal des Herzoglichen Museums Gotha wieder ein einzigartiges Gemälde mit einer außergewöhnlichen Geschichte: Die Ölskizze des flämischen Malers Peter Paul Rubens „ Der Heilige Gregor von Nazianz“. Dank der Ernst von Siemens Kunststiftung ist dieses Kernstück der Gothaer Sammlung wieder in seinem historischen Kontext sichtbar. Durch die finanzielle Unterstützung und inhaltliche Expertise der EvSK hat die Sammlung wieder einen wichtigen Teil von ihrer historischen Integrität zurückgewonnen.
Das Gemälde zeigt den Heiligen Gregor von Nazianz in weißer Bischofstracht, auf einer Wolke stehend und zurückgebeugt. Er stößt dem geflügelten Teufel die Spitze seines Krummstabes ins Gesicht, sodass die Funken sprühen und der Dämon, mit einem Fuß auf den Wolken stehend, zurücktaumelt. Darüber fliegt ein Engel mit Namensband. Die Rückseite zeigt die Brandmarken der Antwerpener Malergilde, die damit ihre Holztafeln mit einem Qualitätssiegel ausstatteten. Zu sehen sind eine Burg, zwei Hände und eine Schlagmarke mit einem ligierten Monogramm „LS“, die der Antwerpener Tafelmacher Lambrecht Steens (I) verwendete.
Rubens selbst fertigte die Ölskizze im Jahr 1620 an (Abb1). Sie gehört zur Gothaer Serie von insgesamt fünf Ölskizzen des Künstlers für die Antwerpener Jesuitenkirche Carolus Borromeus. (Abb. 2) Den Skizzen kommt eine besondere Bedeutung zu, da die ausgeführten Deckenmalereien nach einem Blitzeinschlag im Jahr 1718 verbrannten. Die fünf Gothaer Ölstudien waren Teil der ursprünglich 39 vorbereitenden Skizzen zu den Heiligendarstellungen der Kirche, von denen sich heute 22 erhalten haben. Die Heiligen schmückten einst die Decken der Emporen und Seitenschiffe der Kirche.
Während Rubens die Entwürfe selbst malte, führten namhafte Mitglieder seiner Werkstatt die Deckengemälde aus. Die Modelli zeigen die künstlerische Virtuosität des flämischen Meisters und bestechen durch Rubens‘ virtuosen, spontan modellierenden Pinselduktus, der seine eigenhändigen Ölskizzen kennzeichnet. Die Gothaer Serie galt als eine der bedeutendsten kunsthistorischen Juwelen der Gothaer Gemäldesammlung und wurde infolge der Kriegsereignisse des Zweiten Weltkriegs in alle Winde zerstreut. Nur zwei der Skizzen befinden sich heute noch auf dem Friedenstein.
Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts befand sich in der herzoglichen Kunstkammer von Schloss Friedenstein eine der Ölskizzen. Den Prophet Elias (Abb. 3) hatte schon Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676–1732) erworben. Die Ölskizzen des Heiligen Athanasius (Abb. 4) und des Heiligen Basilius (Abb. 5) kaufte Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) zusammen mit den Modelli des Heiligen Gregor von Nazianz und des Heiligen Augustinus (Abb. 6) im Jahre 1802 von dem Brüsseler Kunsthändler François Xavier de Burtin. Sie waren dauerhaft im Herzoglichen Museum als herausragende Beispiele für die Malerei von Peter Paul Rubens zu bewundern. (Abb. 7)
Nach Abdankung des Herzoghauses nach dem Ersten Weltkrieg 1918 gehörten die Rubens-Ölskizzen zu einer selbständigen Gothaer Kunststiftung, deren Aufgabe der Erhalt und die Zugänglichkeit der Kunstwerke für die breite Bevölkerung in Gotha war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren drei der Skizzen durch die herzogliche Familie aus der Sammlung entnommen und mit der Argumentation, die Werke vor dem Zugriff der Roten Armee zu retten, bei Kriegsende nach Coburg überführt worden. Die sowjetischen Trophäenbrigaden, die im Juli 1945 nach Gotha kamen, ließen die Kunstsammlungen mit den zwei verbliebenen Ölskizzen nach Moskau abtransportieren. Diese Skizzen mit der Darstellung des Heiligen Athanasius und des Heiligen Basilius wurden 1958 an die ehemalige DDR wieder restituiert. Dagegen fehlte von den drei nach Bayern verbrachten Werken jede Spur.
Die fehlenden Gothaer Rubens-Ölskizzen sind als kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut bei Lost-Art, der Datenbank des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, gelistet. Die Skizze des Heiligen Augustinus befindet sich heute in der Sammlung Bührle (Schweiz) und ist im Kunsthaus Zürich ausgestellt. Mit der Sammlung Bührle ist die Friedenstein Stiftung Gotha im guten Austausch, mit dem Ziel, das Werk als temporäre Leihgabe nach Gotha zu bringen.
Der Verbleib der Ölskizze Der Prophet Elias dagegen ist unbekannt. Sie war vermutlich seit 1952 im Besitz von Curtius O. Baer. Der letzte bekannte Besitzer war die Sammlung George M. Baer († 2009) aus Atlanta, Georgia. Seit spätestens 1997 war die Skizze als Leihgabe in der National Gallery of Art in Washington, D. C. nachweisbar.
Ebenfalls im Jahr 1952 wurde die Gregorius-Skizze von der New Yorker Galerie E. & A. Silberman an die Albright Art Gallery verkauft, die Vorgängerin der Albright-Knox Art Gallery, aus der das Buffalo AKG Art Museum (USA) hervorgegangen ist. Als das Museum 2020 die Rubens-Skizze bei Christie’s einlieferte, wurde der Restitutionsprozess der Gregorius-Skizze angestoßen. Das Auktionshaus führte das Buffalo AKG Art Museum die Verhandlungen mit der Friedenstein Stiftung Gotha. Von Beginn an war die Stiftung an einer gütlichen Einigung interessiert, da sie davon überzeugt war, dass das Museum das Werk im Jahr 1952 zwar gutgläubig erworben hatte, aber die wahren Eigentumsverhältnisse damals nicht offen lagen.
Die Rückkehr der Studie mit dem Heiligen Greogor von Nazianz ist das Ergebnis eines intensiven Prozesses, der geprägt ist durch das positive Zusammenwirken sowohl öffentlicher Einrichtungen wie dem Buffalo AKG Art Museum und Friedenstein Stiftung Gotha als auch der aktiv vermittelnden und verantwortungsvolle Haltung des Auktionshauses Christie’s sowie das Engagement der Ernst von Siemens Kunststiftung. Die Wiedergewinnung der Rubensskizze ist sicher der Auftakt für weitere wichtige Rückführungen, bei der je nach Verlustgeschichte keine Marktpreise gezahlt werden, sondern ein fairer Ausgleich zwischen den Parteien gesucht wird.
Text: Susanne Finne-Hörr und Dr. Tobias Pfeifer-Helke
Abbildungen:
Abb. 1
Peter Paul Rubens, Der Heilige Gregor von Nazianz, um 1620, Öl auf Holz (Eiche), 48 x 62 cm
Abb. 2
Antoon Gheringh, Innenansicht der Jesuitenkirche zu Antwerpen, 1665, Öl auf Leinwand, 75,6 x 95,5 cm, Antwerpen, The Phoebus Foundation
© The Phoebus Foundation
Abb. 3
Peter Paul Rubens, Der Prophet Elias auf goldenem Wagen, Historische Fotografie
© Friedenstein Stiftung Gotha, Fotoarchiv
Abb. 4
Peter Paul Rubens, Der Heilige Athanasius siegt über Arius, um 1620, Öl auf Holz (Eiche), 49,6 x 64,4 cm, Friedenstein Stiftung Gotha, Inv. Nr. 709
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Fuchs
Abb. 5
Der Oberlichtsaal des Herzoglichen Museums vor 1945, Historische Fotografie
© Friedenstein Stiftung Gotha, Fotoarchiv
Abb. 6
Peter Paul Rubens, Der Heilige Basilius, um 1620, Öl auf Holz (Eiche), 49,5 x 64,4 cm, Friedenstein Stiftung Gotha, Inv. Nr. 710
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Fuchs
Abb. 7
Peter Paul Rubens, Der Heilige Augustinus, Historische Fotografie
© Friedenstein Stiftung Gotha, Fotoarchiv