Paul Egell, Die Heilige Familie, etwa 1735/1740

Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz – Bodemuseum

Auf einem separat gefertigten, längs ovalen Sockel, dessen Mitte eine vorgewölbte und aus zarten Profilen gerahmte Kartusche ziert, erhebt sich die frontal ausgerichtete und auf Untersicht konzipierte Gruppe der Heiligen Familie, die einen asymmetrisch pyramidalen, sich diagonal nach rechts neigenden Figurenaufbau aufweist. Links steht Maria in eleganter, steil aufsteigender Torsion. Mit zur Seite gesetztem Fuß blickt sie über ihre rechte Schulter nach unten – so, als ob sie sich einem imaginären, uns nicht sichtbaren Menschen zu ihren Füßen zuwendet. Sie hält mit beiden Händen den auf einem über Eck gestellten Altar stehenden Christusknaben fest. Dieser segnet, in einer seine Mutter spiegelnden Bewegung, seinen vor ihm knienden Nährvater. Mit geneigtem Haupt und vor der Brust gekreuzten Händen empfängt der hl. Joseph demütig seinen Segen. Die vom kurpfälzischen Hofbildhauer Paul Egell geschnitzte Berliner Figurengruppe präsentiert sich in einer eher selten anzutreffenden Konstellation: Während der hl. Joseph in den traditionellen Darstellungen wie der „Geburt Christi“ oder der „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ meist nur als Assistenzfigur fungiert, empfängt der hier kniende Heilige den Segen seines Nährsohnes Jesu, womit er zum Protagonisten avanciert. Diese anmutige Szene spiegelt anschaulich die stetig wachsende Anerkennung und Verehrung des hl. Josephs wider, die im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erfährt. Die kleinformatige Gruppe ist wohl als Modell für eine Großskulptur zu interpretieren, das nicht nur dem ausführenden Künstler, sondern auch dem uns unbekannten Auftraggeber eine dreidimensionale Vorstellung des auszuführenden Werkes vermitteln sollte. Aufgrund des dargestellten Sujets ist jedoch anzunehmen, dass die Heilige. Familie für den Hauptaltar der um 1735 gegründeten Josephsbruderschaft in Simmern (Hunsrück) bestimmt war, zumal Paul Egell zwischen 1735-40 dort nachweislich tätig war.
Von den ursprünglich acht Altären des Permoser-Schülers Paul Egell hat sich nachweislich keiner vollständig erhalten. Darüber hinaus ist nicht nur fast seine gesamte Bauplastik, sondern auch zahlreiche seiner geschnitzten und in Stein gemeißelten Statuen bereits im 18. Jahrhundert durch Unverstand und Zerstörung verloren gegangen. Es ist deshalb ein Glücksfall, dass ein sowohl in künstlerischer als auch ikonographischer Hinsicht bedeutendes Werk dieses außergewöhnlichen Bildschnitzers erhalten blieb. Für das Bode-Museum, das im letzten Krieg den größten Teil des plastischen Schmucks von Paul Egells Hauptwerk – den Mannheimer Hochaltar –verloren hat, ist diese Erwerbung eine eindrucksvolle Bereicherung seiner nordalpinen Barock- und Rokokosammlung.

Dr. Hans-Ulrich Kessler