Otto Lindig, Bowle-Gefäß, 1930er Jahre

Keramik-Museum Bürgel

Otto Lindig hatte bereits in der Weimarer Kunstgewerbeschule Henry van de Veldes Unterricht in der keramischen Abteilung, im Drehen und Glasieren von Gefäßen, erhalten. Nach der Rückkehr aus dem Krieg war er 1920 einer der ersten Schüler der in Dornburg an der Saale neu eingerichteten Töpferei des Bauhauses von Walter Gropius. Das Töpferhandwerk erlernte er hier nochmals von Grund auf unter der Anleitung des Werkmeisters Max Krehan. Gemeinsam mit Theodor Bogler und Marguerite Friedlaender legte er 1922 die Gesellenprüfung ab. Als Formmeister vermittelte Gerhard Marcks Grundlagen einer neuen Gefäßästhetik, an deren Ausprägung Lindig in den folgenden Jahrzehnten einen wesentlichen Anteil hatte.

Nach Schließung des Bauhauses im Jahr 1925 verblieb Lindig als einziger Keramiker der ersten Bauhaus-Generation in Dornburg. Er legte die Meisterprüfung ab und betrieb die Töpferei zunächst als Angestellter der Staatlichen Hochschule für Baukunst und Kunstgewerbe, ab 1930 als selbstständiger Meister weiter.

In den 1930er Jahren dürfte das große Bowle-Gefäß mit seiner auf den ersten Blick schlichten Form und der farblich zurückhaltenden graubraunen Glasur entstanden sein. Das Gefäß trägt am Boden die eingeritzte Lindig-Marke ohne Zusatzzeichen. Das Stück ist also in allen Einzelheiten von Otto Lindig persönlich hergestellt worden.

1937 stellte Lindig auf der Pariser Weltausstellung eine Vase mit vergleichbarem Dekor aus, für die ihm eine Goldmedaille bzw. der Grand Prix verliehen wurden. Während vom Typ der so genannten Grand-Prix-Vase heute vier Ausführungen bekannt sind, ist das ganz ähnliche, um einen Deckel bereicherte Bowle-Gefäß bisher nur einmal aufgetaucht. Das Stück ist einem sehr guten Erhaltungszustand überliefert. Die Bowle vermag Lindigs ausgezeichnete Fähigkeiten als Töpfer an der Drehscheibe, sein feines Empfinden für eine ebenso harmonische wie zweckmäßige Formgebung und den gekonnten Umgang mit unbunten Glasuren zu veranschaulichen.

Für das Projekt der musealen Umgestaltung der Dornburger Keramik-Werkstatt, der einzigen in sitú erhaltenen Bauhaus-Werkstatt – kommt der Bowle eine wichtige Bedeutung zu. Als Exponat der künftigen Dauerausstellung wird sie das künstlerisch anspruchsvolle Schaffen Otto Lindigs und die damit verbundene internationale Anerkennung illustrieren.

Dr. Ulf Häder

Abbildung:

Otto Lindig (1895-1966), Bowle-Gefäß, 1930er Jahre. Öl auf Leinwand, Ton, gedreht, angesetzte Handhaben, braun und weiß glasiert, H. 31 cm.

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