Otto Dix, Sonnenaufgang, 1913

Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden

In Otto Dix’ Sonnenaufgang hat sich die kalte Wintersonne durch dunkle Wolken gebrochen. In ihrer Farbigkeit und Dichte sind sie expressiv überhöht und bilden eigentümliche Formationen. Der Schnee auf dem Feld reflektiert ihr schmutziges Grau. Eine Schar Krähen fliegt über die harschen Schneeschollen des Ackers.

1913 ist Otto Dix Student der Dresdner Kunstgewerbeschule und sucht verschiedene künstlerische Einflüsse für sich fruchtbar zu machen. Angeregt durch eine Ausstellung mit Werken Vincent van Goghs beginnt er, mit dem Stil des Holländers zu experimentieren. Besonders in seinen Landschaftsdarstellungen schließt Dix an dessen expressive und vitale Malweise an. Der Sonnenaufgang ist eines der wenigen Landschaftsbilder jener Jahre, das weit über die Wiedergabe einer gesehenen Landschaft hinausreicht: Es herrscht Endzeit-Stimmung, die Atmosphäre ist trist. Dem entgegen stehen die mit einem Sonnenaufgang verbundenen Assoziationen Beginn und Neuanfang. Schon 1911 hatte Dix sich mit der Philosophie von Friedrich Nietzsche beschäftigt. Besonders dessen Ideen zur Dualität von Leben und Tod, von Ende und Neuanfang waren damals populär.

Der Sonnenaufgang kann als eine symbolische Landschaft gelesen werden, als charakteristischer Ausdruck der Befindlichkeit einer jungen Generation am Vorabend des Ersten Weltkrieges. 1920 erwirbt Paul Ferdinand Schmidt, Direktor des Dresdner Stadtmuseums, das Bild für den Kunstbesitz der städtischen Sammlungen. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wird es gemeinsam mit weiteren Arbeiten der klassischen Moderne den Sammlungen entzogen und im Lichthof des Dresdner Rathauses unter dem Titel „Entartete Kunst“ ausgestellt. Die Dresdner Schau ist Vorbild und Ausgangspunkt der gleichnamigen Ausstellung in München 1937. Insgesamt 26 Werke allein von Otto Dix, darunter der Sonnenaufgang, werden dort auf diffamierende Weise präsentiert. Nach der Beschlagnahme-Aktion im Rahmen der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937, die ein Jahr darauf durch ein Gesetz legitimiert wird, gelangt das Gemälde bald zu dem Kunsthändler Bernhard A. Böhmer nach Güstrow. Nach dessen Selbstmord wird das Bild nach Westdeutschland gebracht und befand sich bis 2012 im Besitz verschiedener privater Sammlungen. Nicht allein wegen seiner Geschichte und Provenienz ist der Ankauf dieses wichtigen Frühwerks von besonderer Bedeutung. Es gehört darüber hinaus zu jener kleinen Gruppe der insgesamt 498 beschlagnahmten Kunstwerke aus der Dresdner Sammlung, deren Spur sich nicht im Ungewissen verliert und das für die städtische Kunstsammlung zurückerworben werden konnte.

Dr. Gisbert Porstmann

Abbildung:

Otto Dix (1891-1969), Sonnenaufgang,1913. Öl auf Papier und Pappe, 57 cm x 66 cm.

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