Otto Dix, Bildnis Max John, 1920

Augustinermuseum Freiburg

Als das Bild entstand, lag der Erste Weltkrieg erst zwei Jahre zurück. Otto Dix hatte die Grabenkämpfe in Frankreich und die Schlachten an der Ostfont miterlebt und verarbeitete diese traumatischen Erlebnisse noch Jahre später in seinen Gemälden und in einem umfangreichen Radierzyklus. So spiegeln sich in dem Bildnis des Malers, Druckers, Verlegers und politischen Agitators Max John die Schrecken des Krieges, aber auch die gesellschaftlichen Umwälzungen und Brüche im Dresden der Nachkriegszeit. Mit heftigem, entschiedenem Zugriff malte Dix dieses Porträt seines Weggefährten der frühen Jahre. Vor blutrotem Grund erscheint das Brustbild eines Menschen, in dessen Gesicht sich die Pinselschrift des Künstlers leidenschaftlich, ja geradezu schmerzvoll eingegraben hat. Die weit aufgerissenen, geröteten Augen, der schief geöffnete Mund, der scharfkantige Nasen- rücken – wie eine deformierte, aufgebrochene, verletzte Landschaft wirkt dieses Antlitz. Keine Hände, keinerlei Accessoires: Dix verzichtet hier ganz auf jedes weitere Detail, das Auskunft geben könnte über die Lebensumstände der porträtierten Person. In seiner Konzentration auf den menschlichen Ausdruck, auf die existentielle Befindlichkeit des Dargestellten, wird es zur vorstellungsmächtigen Metapher seiner Zeit und damit zu einem der herausragenden Beispiele des Übergangs von der expressionistischen Geste zur gesellschafts-kritischen Wirklichkeitsdarstellung. 1959 ersteigerte das Freiburger Augustinermuseum das Bildnis Max John auf einer Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts für die Städtischen Sammlungen. 1985 fand es seinen Platz im neu gegründeten Museum für Neue Kunst. 2007 stellte die Erbin des Voreigentümers, des Dresdner Anwalts und Kunstsammlers Dr. Fritz Salo Glaser, der das Gemälde in den 1940er Jahren verfolgungsbedingt hatte veräußern müssen, einen Antrag auf Restitution. Gemäß der „Washingtoner Erklärung“ von 1998 und der „Berliner Erklärung“ von 1999 entschied sich die Stadt Freiburg 2009 für eine gütliche Einigung mit der Erbin, mit dem Ziel, dem Museum das Gemälde gegen eine Ausgleichszahlung zu überlassen. An dieser Ausgleichszahlung hat sich die Ernst von Siemens Kunststiftung mit einem substantiellen Betrag beteiligt. So kann das Bildnis Max John nun auf Dauer im Museum für Neue Kunst verbleiben, wo es in der Abteilung expressionistischer und neusachlicher Malerei, u. a. mit Werken von August Macke, Erich Heckel, Alexander Kanoldt, Georg Scholz, Karl Hubbuch, Wilhelm Schnarrenberger und Julius Bissier, die Kunst der Klassischen Moderne wie in einem Focus aufscheinen lässt.

Jochen Ludwig

 

Abbildung:

Otto Dix, Bildnis Max John, 1920, Öl auf Pappe, 63 cm x 43 cm © Augustinermuseum Freiburg