Oskar Kokoschka, Gitta Wallerstein, 1921

Staatliche Kunstsammlung Dresden, Albertinum I Galerie Neue Meister, Sammlung Willy Hahn

Oskar Kokoschka lebte und arbeitete von 1916 bis 1923 in Dresden und wurde 1919 der bis dato jüngste Professor der Dresdner Kunstakademie. Bereits mit Ende des Ersten Weltkrieges galten seine Werke der Kritik als ein „Höhepunkt des Expressionismus“. Die Staatliche Gemäldegalerie zu Dresden kaufte bis 1929 sechs Arbeiten, die als größte Werkgruppe eines einzelnen zeitgenössischen Künstlers das Herzstück der Dresdner „Modernen Galerie“ bildeten. Seit der Beschlagnahmung als „entartete Kunst“ 1937 gehört jedoch bis heute kein einziges Gemälde von Kokoschka mehr zum festen Bestand der Galerie Neue Meister.

Das Bildnis der Gitta Wallerstein von 1921 ist typisch für die farbstarken Werke der reifen Dresdner Jahre Oskar Kokoschkas: Mit breitem Pinsel ist die Farbpaste dick und großflächig vermalt, leuchtende Töne sind in Kontrastwirkung nebeneinander gestellt. Kokoschkas Bildnis markiert künstlerisch eine eigenständige und zugleich vermittelnde Position zwischen Brücke-Expressionismus und Verismus – hinsichtlich der intensiven Farbigkeit und der ungeschönten Porträtstudie. Es fügt sich damit in besonderer Weise in die existierenden Sammlungsschwerpunkte der Galerie Neue Meister ein.

Mit dem in Dresden entstandenen Bild kehrt auch die Geschichte eines jüdischen Mädchens in die Erinnerung zurück. Gitta Perl, geb. Wallerstein (1910–2008), wurde mit sechzehn Jahren Mitglied der Solistengruppe der Berliner Staatsoper und emigrierte 1939 in die USA. Sie war die Tochter des Kunsthändlers Victor Wallerstein, den Kokoschka spätestens 1919 als Mitarbeiter seines Galeristen Paul Cassirer in Berlin kennengelernt haben muss. Victor Wallerstein gründete gemeinsam mit Franz Goldschmidt in Berlin eine Galerie, in der er Werke von Kokoschka ausstellte und über seine Arbeit publizierte.

Das Gemälde war seit der Entstehung 1921 bis 1953 im Besitz der Familie Victor Wallerstein. Diese lieferte es 1953 im Frankfurter Kunstkabinett Hanna Becker vom Rath ein, wo es im selben Jahr von Willy Hahn gekauft wurde. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erwerben das Gemälde von Dr. Peter Hahn, dem Sohn und Erben von Willy Hahn.

Birgit Dalbajewa

Abbildung: Oskar Kokoschka (1886-1980): Gitta Wallerstein, 1921, WVZ Winkler/Erling Nr. 149, Öl auf Leinwand, 85 x 60 cm, Bez.o.l.: OK, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum | Galerie Neue Meister, Sammlung Willy Hahn, Inv-Nr. 2014/04.

© Foto: Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut

© Fondation Oskar Kokoschka, Vevey / 2014, ProLitteris