Naum Slutzky Schmuckanhänger, 1920/22

Die neue Sammlung München

Die Schmuckgestaltung am Bauhaus ist untrennbar mit dem Namen Naum Slutzky verbunden. Der in der Ukraine geborene und in Wien ausgebildete Goldschmied kam durch seinen Kontakt zu Johannes Itten 1919 an das Bauhaus in Weimar, wo er zunächst in der „Metallabteilung“ arbeitete und die 1921 die Leitung der Goldschmiedewerkstatt übernahm. 1922 legte er seine Meisterprüfung ab.

Gefertigt aus verschiedenen Ringteilen und Zackenkränzen, die den äußeren Rahmen eines Schmucksteins bilden, steht der scheibenförmige Anhänger mit kleiner Spule und Kordel ganz am Anfang einer Reihe ähnlicher, meist nur fotografisch dokumentierter Entwürfe Slutzkys. Zugleich veranschaulicht das aus der Kreisform entwickelte Schmuckstück deutlich den Einfluss der Formenlehre Johannes Ittens auf Schmuckkompositionen seines einstigen Schülers.

Durch die Verwendung einfacher Materialien gelingt es Naum Slutzky, den engen Kanon des „Edlen“ der Schmuckmaterialien aufzubrechen und damit die Gestaltung in den Vordergrund zu stellen. Bei ihm stellt Schmuck kein Symbol für Prestige, Status und soziale Stellung dar, sondern der Wert ermisst sich allein aus der künstlerischen Gestaltung.

Der bis vor kurzem verschollene Anhänger wurde vom Bauhaus selbst als vorbildlich für die dort entstandenen Schmuckarbeiten angesehen. Bereits 1923 in der ersten großen Bauhaus-Ausstellung in Weimar vorgestellt, gehört der Anhänger zusammen mit einem Ring Slutzkys zu den einzigen Schmuckobjekten, mit denen Walter Gropius seine 1925 zusammengestellte Auswahl repräsentativer Bauhausarbeiten illustrierte.

Schmuckstücke wie dieser Anhänger stehen paradigmatisch für die avantgardistischen Gestaltungsansätze am Bauhaus, die zeigen, wie Schmuck in einen neuen Kontext gestellt und damit von seinen traditionellen Bindungen befreit werden kann. Mit seinem Rundscheiben-Anhänger schuf Naum Slutzky eines der prägnantesten Vorbilder für die Entwicklung des modernen Schmucks in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dr. Josef Straßer