Männliche Büste der Nachamarnazeit 1320 v. Chr.

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München

Die Büste eines Mannes ist bis zum Ansatz von Brust und Schultern erhalten; die Nase fehlt. Er trägt eine dreigeteilte Frisur, bei der die eigenen Haare in kleinen Löckchen in breiten Strähnen auf die Brust herabfallen; darüber liegt eine Perücke mit horizontal gegliederter Innenstruktur. Im Nacken ist der große Knoten der Träger eines über die Brust hochgezogenen Schurzes erhalten, wie er charakteristisch ist für die Tracht eines Vezirs oder Vorstehers des Schatzhauses. Bei dem Dargestellten handelt es sich also um einen der höchsten Beamten des altägyptischen Staates.

Der markanten inneren Struktur des Gesichts (Stirn, Wangenknochen, Kinn) sind weiche, geschwungene Formen im Bereich von Augen und Mund gegenübergestellt, was zusammen mit den Einzelformen der Sinnesorgane charakteristisch ist für die späte 18. Dynastie, die so genannte Nachamarnazeit (ca. 1330–1300 v. Chr.). Typisch für diese Epoche ist darüber hinaus die Spannung zwischen der Gelassenheit, Gelöstheit im Ausdruck des Gesichtes und der Nervosität der Oberfläche, wie sie in der Gliederung der Perücke zum Ausdruck kommt.

Die Epoche der Nachamarnazeit, die knapp fünfzehn Jahre der Regierungszeit von Tutanchamun und Eje, ist eine der aufregendsten Epochen der ägyptischen Kunst, in der der Übergang von den expressionistischen Formen des Echnaton in der Amarna-Kunst zum Klassizismus der anschließenden Epoche der Ramessiden erfolgt. Diese Büste zählt zu den Meisterwerken ihrer Zeit.

Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst besitzt in seiner Sammlung neben einigen hochwertigen Reliefs den noch ganz in der Tradition von Amarna stehenden Porträtkopf eines alten Mannes sowie den männlichen Torso einer Gruppenstatue, der bereits die Ramessiden-Zeit ankündigt. Die neue Büste, zeitlich zwischen diesen beiden anzusetzen, ergänzt diesen Sammlungsschwerpunkt in herausragender Weise und kann so zum Verständnis der Entwicklung dieser spannenden Epoche der ägyptischen Kunstgeschichte entscheidend beitragen.

Dr. Sylvia Schoske

Abbildung:

Männliche Büste der Nachamarnazeit 1320 v. Chr.
© Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München