Meister der Blutenburger Apostel, Anna Selbdritt 1490

Diözesanmuseum, Freising

Die Verehrung der hl. Anna, der legendären Mutter Mariae und Großmutter Jesu, blühte im Spätmittelalter auf und erlosch weitgehend in der Folge der Reformation. Sie wurde vor allem von Franziskanern, Benediktinern, Augustinern und Karmelitern verbreitet. Das apokryphe Protoevangelium des Jakobus aus dem 2. Jahrhundert, das die Geburt Jesu und Mariens mit Wundergeschichten ausschmückte, begründete einen Kult der hl. Anna zuerst im Osten, seit den Kreuzzügen auch im Westen. Anna wurde zur Patronin der Bretagne, der Hausfrauen und der Bergleute; die Bergstädte Annaberg in Sachsen und in Schlesien wurden nach ihr benannt.

Anna Selbdritt (frz. Ste. Anne trinitaire, ital. Anna meterza) wird ein spätmittelalterlicher Bildtyp genannt, bei dem Großmutter, Mutter und Enkel zu einer Standfigur oder Sitzgruppe vereinigt sind.

Die lebensgroße Gestalt der hl. Anna in der Tracht einer verheirateten Frau hält in der linken Hand die kindhaft kleine Gestalt der Maria, in der rechten das Jesuskind mit dem Globus. Maria ist ebenfalls durch ihre Tracht als verheiratete Frau ausgewiesen, sie hält mit beiden Händen ein aufgeschlagenes Buch und scheint zu lesen. Dieses Motiv weist auf die Belesenheit und Frömmigkeit Mariens, vor allem aber auf die Erfüllung der Heiligen Schrift in ihrer Empfängnis und Geburt hin.

Die Figurengruppe wurde 1992 von Alfred Schädler als Werk des Münchner Meisters der Blutenburger Apostel bestimmt; Frank Matthias Kammel stimmt dem zu, Hans Ramisch denkt eher an Verbindungen zur Fränkisch-Thüringischen Skulptur, während Matthias Weniger Beziehungen zur alpenländischen Holzskulptur sieht. Die Figurengruppe ist seit ihrer Versteigerung aus Berliner Museumsbesitz 1937 in deutschem Adelsbesitz nachweisbar. Sie ergänzt und verdichtet in hervorragender Weise den Bestand des Diözesanmuseums Freising an Skulpturen und Tafelbildern der Gotik aus München.

Dr. Peter Steiner

Abbildung:

Meister der Blutenburger Apostel, Anna Selbdritt 1490
© Diözesanmuseum, Freising