Max Beckmann, Eisgang

Städelsches Kunstinstitut

Beckmanns Gemälde von Frankfurt und dem Main an einem Wintermorgen ist vom südlichen Ufer, von Sachsenhausen aus wiedergegeben. Über die Brüstung der Untermainbrücke sieht der Betracher in Richtung des Eisernen Stegs, darunter der monumental ins Bild gesetz-te, Eisschollen führende Flußlauf. An seinem nördlichen Ufer geht der Blick über zwei Lastenkräne und einen Lagerschuppen hinauf zu einer Reihe gleichförmiger, mehrstöckiger Häuser mit geschlossenen Fenstern, die im großen Bogen, einer Kulisse vergleichbar, den Main um-fassen. Am fahlen Himmel steht eine gelbe Mondsichel.

Obwohl sich die Komposition an der Wirklichkeit orien-tiert, handelt es sich beim „Eisgang" um keine topographisch genaue Wiedergabe in der Tradition der italienischen Vedutenmalerei, wie z. B. Domenico Quaglios „Ansicht der Stadt Frankfurt am Main von Westen her" von 1831.

Beckmann handelt vielmehr vergleichbar Gustave Courbet, der in „Blick auf Frankfurt am Main mit der Alten Brücke von Sachsenhausen" von 1858/59 aus kompositorischen Gründen Teile wegläßt und mit seiner tonigen Malerei um die Wiedergabe der Atmosphäre des Ortes ringt. In dem Gemälde „Eisgang" rückt die Stadt an den Rand, wird in der Erscheinung egalisiert, der Turm des Domes dem Format angepaßt. Der Maler wählte dafür die Turm-form noch vor dem Dombrand von 1867. Zum eigentlichen Thema erhebt Beckmann den im Dezember 1923 - in Folge eines Frosteinbruchs - zum Teil zugefrorenen Fluß.

In dieser fast menschenleeren Flußlandschaft scheint sich die Atmosphäre der Nachkriegsjahre zu spiegeln. Sie bietet damit das Motiv eines Bildes im Stile der „Neuen Sachlichkeit*, deren Ziel Beckmann in einer Notiz von 1918 wie folgt formulierte: „Aus einer gedankenlosen Imitation des Sichtbaren, aus einer schwächlichen archaistischen Entartung in leeren Dekorationen und aus einer falschen und sentimentalen Geschwulstmystik heraus werden wir jetzt hoffentlich zu der transzendenten Sachlichkeit kommen, die aus einer tiefen Liebe zur Natur und den Menschen hervorgehen kann."

Ursula Grzechca-Mohr

Abbildung: Max Beckmann (1884-1950) Eisgang 1923 Öl auf Leinwand, 47,5 x 59,5 cm Bezeichnet unten links: Beckmann F. 23 , © Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt