Martyrium der hl. Ursula und ihres Gefolges, Meister des Mörlin-Epitaphs
Germanisches Nationalmuseum
Das ursprünglich auf ein kreisförmiges Format angelegte Relief zeigt das legendarisch überlieferte Martyrium der hl. Ursula und ihres Gefolges durch die Hunnen, das sie auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise nach Rom vor Köln ereilt haben soll. Auf einem Schiff befinden sich insgesamt zehn Personen, unter ihnen Papst Cyriakus sowie einer der Bischöfe, die sich Ursulas Gesellschaft in Rom angeschlossen hatten. Einige von ihnen sind von (heute fehlenden) Pfeilen getroffen. Ausgezeichnet durch eine Krone steht die Königstochter Ursula im Zentrum. Sie versucht eine über Bord gegangene Jungfrau durch einen beherzten Griff an deren Mantelsaum vor dem Ertrinken zu bewahren. Ebenfalls herausgehoben ist eine Jungfrau mit Hörnerhaube. Von einem Pfeil getroffen, klammert sie sich mit der Rechten an den Mast.
Die Stadt Köln ist im Hintergrund abbreviaturhaft durch ein burgartiges Gebäude auf einem Hügel angedeutet. Auch das Segel ist nur im unteren Teil bildhauerisch ausgearbeitet und läuft nach oben hin hauchdünn aus, sodass zu vermuten ist, dass dieses ursprünglich durch Malerei auf der verlorenen Rückwand vervollständigt war. Auf diese Weise könnte auch das Gebäudeensemble zu einer Stadtansicht erweitert gewesen sein.
Die differenzierte Ikonographie, die fein abgestimmte Komposition sowie die aufeinander bezogenen Gesten weisen den Schnitzer dieses Reliefs als herausragenden Erzähler aus und deuten zugleich auf einen gebildeten Auftraggeberkreis hin. Auch künstlerisch und technisch ist das Werk äußerst anspruchsvoll. Dies belegen die für die Zeit um 1500 ungewöhnliche mehrfache Tiefenstaffelung des Reliefs, die außerordentlich subtile Ausarbeitung kleinster Details, wie die tief in den Block eingeschnittenen Münder, sowie die rückseitig sichtbare ungewöhnliche Zusammensetzung des Holzblocks aus zwei verleimten Bohlen.
Das stilistisch am besten vergleichbare Werk ist das aus Stein gearbeitete Mörlin-Epitaph im Augsburger Domkreuzgang. Der Schöpfer des Ursulaschiffs ist daher im Kreis des nur unter seinem Notnamen bekannten Mörlin-Meisters zu verorten.
Dr. Markus T. Huber
Meister des Mörlin-Epitaphs (Augsburg, um 1510)
Laubholz, gefasst
H. 97 cm, B. 90 cm, T. 12 cm
Provenienz:
Antiquar J. Grüger, München; Sammlung Johann Jakob Bachofen-Burckhardt, Basel; 1910 Julius Böhler, München; 1934 Julius Wilhelm Böhler, Luzern; 1968 Julius Harry Böhler, München; 1979 Julius Gustav Böhler, München; 2010 Florian und Christoph Eitle, Starnberg und München
Abbildung: Meister des Mörlin-Epitaphs, Martyrium der hl. Ursula und ihres Gefolges, Augsburg, um 1510, © Germanisches Nationalmuseum, Foto: Georg Janßen