Lucas Cranach d.J. (Werkstatt), Porträt Philipp Melanchthons, um 1590

Stadtmuseum Thübingen

Das Porträt zeigt den Humanisten und Reformator auf einer Brüstung ein aufgeschlagenes Buch präsentierend. Es ist im Umkreis der Werkstatt Lucas Cranachs d.J. entstanden.

Das Bildnis geht zurück auf den 1559 von Lucas Cranach d.J. geschaffenen Typus als Halbfigur wie er beispielsweise ebenfalls im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt hängt. Auch hier präsentiert Melanchthon mit beiden Händen ein aufgeschlagenes Buch. Während auf dem Frankfurter Bild ein Text von Basileus dem Großen zu lesen ist, zeigt das Tübinger Porträt einen Bibeltext aus dem ersten Paulusbrief an Timotheus in der Übersetzung durch Martin Luther. Der Text bedenkt die Erlösungsbedürftigkeit durch Christus, was auf die Beschiedenheit des Dargestellten verweist. Drei unleserlich gewordene lateinische Verse am oberen Bildrand in Versalien, die möglicherweise nachträglich angebracht worden sind, könnten eine Würdigung des theologischen Lebenswerk Melanchthons beinhalten und Aufschluss über die Verwendung des Bildes geben. Eine dritte Inschrift auf der Brüstung enthält Angaben zum Leben des Reformators. Dort wird sein Alter mit „aetatis suae annos LXIII“ benannt, was bedeutet, dass das Bildnis nach seinem Tod  - er starb 1560 in Wittenberg 63-jähring – entstanden sein muss.

Im Unterschied zu vielen Melanchthon-Bildnissen, die ihn als Reformator mit kräftigem Körperbau darstellen, steht hier bei der gealterten Person die Physiognomie im Zentrum. Das Gemälde bildete wohl zusammen mit einem Luther-Porträt ein seit der Reformation verbreitetes Bildnis-Paar. Für das Stadtmuseum ist das Gemälde von mehrfacher Bedeutung: Der junge Melanchthon hatte sich an der Tübinger Universität immatrikuliert und suchte sich auf humanistischer Grundlage ein möglichst universales Wissen anzueignen, bevor er sich theologischen Studien zuwandte. In seine Tübinger Zeit fallen seine ersten Publikationen.

Dr. Evamarie Blattner