Karl Röhrig, Zeitungsleser, 1926

Kunsthalle Schweinfurt

Auf einer einfachen rechteckigen Plinthe sitzend zeigt die Porzellanfigur einen mit überschlagenen Beinen hockenden Mann beim Lesen einer Zeitung. Die heute vielfach als Meisterwerk gelobte Figur kann in ihrer Formensprache als harmonische Verbindung von Art déco-Elementen mit kubistischen Anklängen gelten. Klar am Naturvorbild orientiert sucht der Künstler durch Konzentration und Vereinfachung dabei nach einer expressiven Ausdrucksweise. Den völlig glatt und in Weiß von der Firma Rosenthal gefertigten „Zeitungsleser“ sah auch Karl Röhrig selbst als eine seiner bedeutendsten Arbeiten an, stellte er doch auch noch 1967, als die Figur längst nicht mehr produziert wurde, das zugehörige Holzmodell in der großen Münchner Kunstausstellung aus.

Karl Röhrig (1886-1972) begann seine Laufbahn zunächst als Modelleur und verdiente sein Geld mit Entwürfen für verschiedene Porzellanmanufakturen. Nach Stationen an den Kunstgewerbeschulen in Dresden, hier kommt es zur Bekanntschaft mit Otto Dix und George Grosz, und München, nahm Röhrig an der Münchner Akademie ein Studium der Bildhauerei bei Erwin Kurz auf. Maßgeblichen Einfluss auf seinen Werdegang hatten, neben seinem anhaltenden wirtschaftlichen Misserfolg, die beiden Weltkriege, in denen er jeweils als Soldat kämpfen musste. Wie zahlreiche Künstler seiner Generation vertrat Röhrig aus dieser Erfahrung heraus eine radikale, antimilitaristische und sozialistisch geprägte Haltung, die sich in seiner Kunst vielfach in symbolisch-expressiver Weise widerspiegelt. In der BRD gelang es ihm selbst nicht mehr, sich in der von Informel und Abstraktion geprägten Kunstwelt zu etablieren. So steht das Werk des Münchener Bildhauers Röhrig als „armer freier Künstler“ unter der Prämisse „Ein Leben zwischen Kunsthandwerk und Zeitkritik“.

Die Kunsthalle Schweinfurt hat 2014 auf Initiative der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern und als Leihgabe der Ernst-von-Siemens Kunststiftung die private Kunstsammlung von Hanna Bauer und Hans Batzner aus München übernehmen dürfen. 2022 wurde nun eine Auswahl der Sammlung nachgereicht – darunter der „Zeitungsleser“ – die bisweilen noch in der Wohnung des Paares verblieben war.

Maria Schabel

 

Abbildung:
Karl Röhrig, Zeitungsleser, 1926, Porzellan, Rosenthal.

Inv.-Nr. Le-285/213
© Kunsthalle Schweinfurt / Foto: Maria Schabel, Kunsthalle Schweinfurt