Josef Hoffmann, Stuhl Modell Nr. 371 Siebenkugelstuhl 1907/1908

Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne

Die Kunstschau 1908 in Wien – eine der vielen Veranstaltungen zum 60-jährigen Thronjubiläum von Kaiser Franz Josef – war bahnbrechend für die Wiener Moderne. Gestaltet und durchgeführt wurde sie durch eine Gruppe von Künstlern und Kunsthandwerkern um Gustav Klimt und Josef Hoffmann, der seinen berühmten und heute höchst seltenen Siebenkugelstuhl für diese Ausstellung entwarf.

Der Architekt Josef Hoffmann, Mitbegründer der Wiener Werkstätte, verband bei diesem Bugholzstuhl konstruktive und ästhetische Elemente in besonders raffinierter Weise und schuf so ein Meisterwerk an Leichtigkeit, Transparenz und Eleganz. Sein signifikantes Lehnmotiv – sieben kleine Holzkugeln zwischen zwei schlanken Bögen – steht für einen Minimalismus, der selbst die kühnsten Vorstellungen der Wiener Avantgarde weit übertraf.

Die Technologie, Holz zu biegen, wie sie rund 60 Jahre zuvor Michael Thonet entwickelt hatte, erlaubte nicht nur völlig neue Formen, sondern auch industrielle Serienproduktion von Möbeln mit hohen Stückzahlen und damit ihre massenhafte Verbreitung. Zunächst stammten die Entwürfe noch aus den Unternehmen selbst. Das änderte sich mit J. & J. Kohn. Die Firma, größter Konkurrent der Gebrüder Thonet, verlegte in den 1880er Jahren ihren Sitz nach Wien und knüpfte Kontakte zu den führenden Wiener Avantgarde-Architekten. Diese begannen für ihre Bauten oder Innenausstattungen erstmals selbst Bugholzstühle zu entwerfen, die – zunächst in meist sehr kleinen Auflagen – bei J. & J. Kohn hergestellt wurden. Am Anfang der neuen Entwicklung steht Adolf Loos mit seinen Stühlen für das Café Museum. Danach folgten Entwürfe von Gustav Siegel für die Weltausstellung 1900, Otto Wagner für die Postsparkasse und schließlich Josef Hoffmann für das Sanatorium Purkersdorf, das Kabarett Fledermaus und für die Kunstschau 1908: der Siebenkugelstuhl als Höhepunkt einer Entwicklung von anonym entworfenen Möbeln zum frühen Architektenmöbel.

Dr. Josef Straßer

Abbildung:
Entwurf: Josef Hoffmann (1870-1956), Wien 1907/1908
Ausführung: J. & J. Kohn, Wien ab 1908
Bugholz, Buche gebeizt, poliert, Lederpolsterung
H. 108 cm, SH. 46 cm, B. 44 cm, T. 44 cm.

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