Josef Albers, Sieben Gemälde, 1935/1950

Josef Albers Museum, Bottrop

Die beiden von der Ernst von Siemens Kunststiftung erworbenen Werke von Josef Albers gehören zu einer Gruppe von insgesamt sieben Gemälden, die gemeinsam mit anderen Förderern von der Josef and Anni Albers Foundation in den USA für die Sammlung des Josef Albers Museums in Botttrop angekauft wurden. Alle Werke stammen aus der Zeit von ca. 1935 bis 1950 und machen Albers’ Begegnung mit der mexikanischen Kultur, die damals besonders intensiv war, nachvollziehbar. Dabei geht es um die Auseinandersetzung des Künstlers mit der präkolumbischen Kunst und Architektur Mexikos und mit der eigenwilligen Farbvorstellung, wie sie in diesem Land von alters her zu finden ist. Beide Aspekte sind von grundlegender Bedeutung für die Bildkonzeption der großen Serie Homage to the Square, mit der Albers seit 1950 zu einem Klassiker der Malerei der Nachkriegszeit geworden ist.

Albers verarbeitete seine Analyse der mexikanischen Kunst mit besonderer Intelligenz: Er übernahm nicht ikonographische Muster - wie es die europäische Kunst am Beginn des 20. Jahrhunderts in ihrer Auseinandersetzung mit Afrika und Ozeanien vielfach tat -, sondern verarbeitete strukturelle Aspekte, die es ihm erlaubten, eine Bildvorstellung zu entwickeln, die zugleich flächig und räumlich gebaut ist. Es entsteht daraus ein vereinfachter Bildtypus, der keine elaborierte Binnenkomposition mehr kennt. Damit weist er nicht nur voraus auf die Homage to the Square-Bilder, sondern auch auf Merkmale des amerikanischen Abstrakten Expressionismus und der Minimal Art, wie sie sich nach 1945 entwickelten.

Figure One Reversed (1937) und Neither...Nor, (1948) stehen beispielhaft für diese Bildvorstellung. Aus wenigen, chromatisch verwandten Farben und einem scheinbar simplen geometrischen Formenvokabular entsteht gleichwohl eine visuelle Vielschichtigkeit, die den Betrachter herausfordert. Sein Blick erkennt Merkmale der Frontalität und der perspektivischen Raumtiefe, ohne dass sich jedoch eine dieser beiden Richtung als dominierende durchsetzte. Tatsächlich herrscht eine produktive Unübersichtlichkeit, die einsteht für Albers’ zentrales künstlerisches Ziel: Unsere Augen zu öffnen für die Komplexität der sichtbaren Welt.

Dr. Heinz Liesbrock

Abbildungen:

1. Josef Albers (1888-1976), Figure one Reversed, 1937. Öl auf Spanplatte, 58,4 cm x 73,7 cm.

2. Josef Albers, Neither ... Nor, 1948. Öl auf Masonite, 50,8 cm x 70 cm.

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