Josef Albers, sechs photographische Montagen, 1929/53

Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop

Es ist bis heute wenig bekannt, dass Josef Albers während seiner langen Laufbahn auch regelmäßig mit einem ausdrücklichen künstlerischen Anspruch photographiert hat. Seine ersten Photographien entstanden Ende der zwanziger Jahre am Bauhaus, wo das Medium unter dem Signum ‚Neue Sehen‘ ein erhebliches Interesse fand. Nachdem Albers 1933 in die USA emigriert war, setzte er diese photographische Arbeit auf seinen regelmäßigen Reisen nach Mexiko und Südamerika fort. Aus beiden Werkgruppen hat die Ernst von Siemens Kunststiftung jetzt wichtige Beispiele erworben.

Albers‘ Photographien haben ihre Pointe nicht eigentlich im Einzelbild. Vielmehr montiert er mehrere Abzüge unterschiedlicher Größe auf einem Karton nebeneinander. Diese Montage ist als Werk anzusehen und nicht die einzelne Photographie. Dabei perspektivieren sich die Photographien in ihrer visuellen Wirkung gegenseitig: Es entsteht ein Spiel zwischen Fläche und Raumtiefe und zwischen Helligkeit und Dunkel, das unser Sehen produktiv irritiert.

Albers war in seiner gesamten künstlerischen Tätigkeit an solchen visuellen Mehrdeutigkeiten interessiert, wie sie aus einem scheinbar einfachen formalen Aufbau entstehen können. So entdecken wir eine vergleichbare Bildsyntax auch in seiner Malerei, etwa in der Serie Homage to the Square, wo die Interaktion der Farben solche optischen Veränderungen im Auge des Betrachters stimuliert.

Albers‘ Photographien sind nicht allein für seine individuelle Werkgeschichte von Bedeutung. Man darf sie auch als einen eigenständigen Beitrag zur Geschichte der Photographie im 20. Jahrhundert ansehen. Neben ihrem individuellen künstlerischen Gewicht, das unübersehbar ist, liegt ihr Rang in der Ablösung des Einzelbildes durch das Zusammenspiel mehrerer Photographien. Dieses Vorgehen ist historisch tatsächlich ohne Vorbild und wird später von unterschiedlichen photographischen Künstlern aufgenommen.

Mit diesem Ankauf kommen nun erstmals Beispiele von Albers‘ Photographie in eine europäische Museumssammlung.

Dr. Heinz Liesbrock

Abbildung:
Josef Albers (1888-1976)
Autostraße im Paznauntal VII, 1930
Silbergelatineabzüge auf Karton montiert
41 cm x 29,5 cm

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