Johann Zick, Der Aderlass. um 1753

Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt

Das Gemälde wurde lange Januarius Zick zugeschrieben. Durch ein 2008 vom Kunsthandel in Auftrag gegebenes Gutachten konnte diese Zuschreibung in Johann Zick, den Vater des Erstgenannten, korrigiert werden.

Die Helldunkelmalerei eröffnet den Blick auf eine medizinische Szene, bei der sich drei männliche Figuren um eine junge Frau bemühen.
Dem rechts von ihr in gebückter Haltung stehenden Chirurgus reicht sie ihren Arm zum Aderlass. Sie selbst sitzt leicht aus der Bildmitte gerückt und wendet sich einem älteren Mann zu, der in der abgedunkelten linken Bildhälfte steht, die Aderlass-Schale hält und die junge Frau stützt. Die rechte Bildhälfte wird von der Gestalt des dynamisch im Vordergrund stehenden Medicus dominiert, der das Harnschauglas gegen das Licht hält. Im Glas ist die Gestalt eines Säuglings zu erkennen. Damit ist die Diagnose geklärt: die junge Frau ist schwanger.

Das Motiv der Harnschau an sich ist keine Rarität und findet sich beispielsweise in der niederländischen Genre-Malerei des 17. Jahrhunderts häufiger. Das Detail, die Visualisierung der Diagnose des Arztes durch die Darstellung des Homunculus im Harnglas, macht das Gemälde jedoch zu einer Besonderheit. Unterstützt wird dieses pikante Detail durch die Blick- und Lichtführung im Bild. Harnschau und Aderlass waren die wichtigsten diagnostischen Verfahren der humoralpathologisch argumentierenden Medizin. Zugleich bringen sie die beiden wichtigsten heilkundlichen Berufsgruppen ins Spiel, den akademisch gebildeten Medicus und den handwerklich geschulten Wundarzt, den Chirurgus. Dadurch gibt dieses Gemälde auf kleinstem Raum Einblick in zentrale Praktiken und tragende Akteure der Medizin der Frühen Neuzeit.

Vom 28. Mai bis 13. September 2009 wurde Der Aderlaß  im Rahmen der Sonderausstellung „Auf Leben und Tod. Zur Geschichte der Entbindungskunst“ im Deutschen Medizinhistorischen Museum der Öffentlichkeit präsentiert. Seit Ende September 2009 ist das Werk in die Dauerausstellung zur Geschichte der Medizin integriert, wobei der Präsentationskontext in doppelter Hinsicht ideal zu nennen ist: es befindet sich nicht nur in direkter Nachbarschaft zum Instrumentarium von Aderlass und Harnschau, sondern auch in einem Gebäude, das im frühen 18. Jahrhundert für die Ausbildung von Medizinstudenten errichtet wurde.

 

Corinna Feucht