Johann VIII. bleibt in Erbach

Schloss Erbach, Staatliche Schlösser und Gärten Hessen

Seit fast 400 Jahren gehört das Porträt Johann VIII. von Nassau-Siegen (1585-1638) zur Ausstattung von Schloss Erbach im Odenwald. Während das Schloss inklusive der Gräflichen Sammlungen vom Land Hessen 2005 erworben wurde, verblieben über 300 Kunstobjekte, darunter eine beachtliche Anzahl von Ahnenbildnissen im Besitz der Grafenfamilie zu Erbach-Erbach. Im Zuge eines Nacherwerbs gelang es 2019 alle Kunstgegenstände für die Nachwelt an ihrem ursprünglichen Wirkungsort zu erhalten, darunter auch dieses eindrucksvolle Bild.

Das lebensgroße Porträt Johann VIII. darf ohne Einschränkung als das bedeutendste Gemälde des Schlosses bezeichnet werden. Kein geringerer als der flämische Porträtmeister Anthonis van Dyck (1599-1641) war Schöpfer des Werkes.

Vor einem Brokatvorhang, der im rechten Hintergrund den Blick auf einen wolkenreichen Ausblick freigibt, steht der Porträtierte in repräsentativer Haltung. Er ist bekleidet mit einer Reiterrüstung, deren polierte Oberfläche markante Lichtreflexe widergibt. Auf seiner Brust glänzt die Collane des Ordens vom Goldenen Vlies. In seiner Rechten hält er einen Feldherrnstab, während die linke Hand einen Helm mit geöffnetem Visier umfasst.

Durch Darstellung der Halbglatze, der ausgeprägten Nasolabialfalte und Tränensäcke veranschaulicht van Dyck das mittlere Alter des Grafen. Der Blick mit leicht zusammengezogenen Brauen erzeugt beim Betrachter gleichzeitig den Eindruck von Strenge und Nachdenklichkeit. In solchen Details zeigt sich die Meisterschaft van Dycks, indem er zwar den Wunsch nach repräsentativen Bildnissen seiner Auftraggeber durch formelhafte Kompositionen bediente und dennoch in Details wie Gesichtsausdruck und Oberflächenbeschaffenheit von Haut und Adern den Dargestellten Leben und Individualität verlieh.

Vermutlich durch die Heirat zwischen Graf Georg Albrecht I. zu Erbach (1597-1647) mit Magdalena von Nassau-Dillenburg (1595–1633), einer Nichte Wilhelms von Oranien, gelangten insgesamt dreizehn niederländische Barockbildnisse in Erbacher Besitz. Neben Johann VIII., der ein Neffe von Magdalena war, finden sich Bildnisse Wilhelms des Oraniers und seiner Söhne Moritz, Frederik Hendrik und Philipp Wilhelm im Speisesaal des Schlosses vereint.

Wann die Verbindung mit der nassauischen Dynastie erstmals zu fassen ist und unter welchen Umständen die Gemälde in den Besitz der Erbacher kamen, wird im Fokus der neueren Forschung stehen. Fest steht bereits, dass sich die Erbacher Grafen Bildnisse dieser Qualität und von namhaften Künstlern wie Anthonis van Dyck, Gerard van Honthorst, Wybrand de Geest, Michiel Mierevelt und Jan van Ravesteyn niemals hätte leisten können, wenn sie nicht holländische Verwandtschaft gehabt hätten.

Dr. Anja Kalinowski

Abbildung:
Anthonis van Dyck (1599-1641),
Graf Johann VIII. von Nassau-Siegen,
um 1630, Öl auf Leinwand, 194 x 114 cm