Johann Gottfried Schadow, La Retraite de la Renommée, 1813

Archiv der Akademie der Künste, Berlin

Johann Gottfried Schadow, der Begründer der Berliner Bildhauerschule, zählte im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert zu den prägenden deutschen Bildhauern des Klassizismus. 1788 zum ordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Künste berufen, übernahm er 1805 das Vizedirektorat und bekleidete von 1816 bis zu seinem Tod das Amt des Direktors. Neben seinem plastischen Werk schuf Schadow ein umfangreiches zeichnerisches Œuvre. In der Kunstsammlung der Akademie befindet sich mit über 1.200 Zeichnungen der mit Abstand umfangreichste Bestand an Arbeiten auf Papier. Bislang gehörten dazu allerdings keine Karikaturen. Sie wurden  in den späteren Jahren für Schadow zum einem zentralen Sujet.

Diese Lücke konnte nun geschlossen werden. Dank der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und des Freundeskreises der Akademie der Künste ist es gelungen, eine seit Jahrzehnten verschollene Zeichnung zu erwerben, die als Schlüsselwerk Schadows auf dem Gebiet der politischen Satire bezeichnet werden kann.  

La Retraite de la Renommée thematisiert die Flucht Napoleons aus Rußland nach dem gescheiterten Feldzug von 1813: Der in Rückansicht abgebildete  Kaiser  verlangt angekläfft von einem kleinen Hund – „la voix publique“ – die Weiterfahrt in einem Schlitten, der mehr einem hölzernen Sarg auf Kufen ähnelt, während ein würdevoller Offizier mit dem jüdisch-polnischen Fuhrmann über das Gespann verhandelt. Ein Schild weist nach Posen, in das von den Franzosen als barbarisch und unkultiviert charakterisierte Polen, von dessen Wohlwollen nun die Flucht abhängt. Als Allegorie auf den Niedergang stürzt Madame la Renommée bei einem Fehltritt ihres Maultiers. Lorbeer und Fanfare liegen zerstört auf der Erde und das hochgerutschte Kleid enthüllt nackte und unbekannte Tatsachen.

Die Kunstsammlung verwahrt eine mit schnellem Strich in Bleistift ausgeführte Ideenskizze zu diesem Blatt – die Umsetzung und Entwicklung dieser Kompositionsidee und Integration in eine ausgefertigte, ambitionierte Komposition ist nun einer der vielen Aspekte denen man im Studiensaal der Kunstsammlung nachgehen kann.

Werner Heegewaldt