Jakob I Miller, Der hl. Georg im Kampf mit dem Drachen

Bayerische Nationalmuseum, München

Der Tafelaufsatz stellt den Drachenkampf des hl. Georg dar: Der gerüstete Ritterheilige, dessen schlankes Pferd im Sprung mit gestreckter Hinterhand über das bereits niedergestürzte Untier hinwegsetzt, erhebt mit der Rechten das Schwert zum tödlichen Streich. Hilfeflehend richtet die Prinzessin, die mit erhobenen Armen vor dem Reiter kniet, ihren Blick zum hl. Georg empor. Die Terrain-standplatte des gestreckt achteckigen Sockels ist mit Spinnen, Krebsen, Reptilien u. ä. besetzt, die den Drachen begleiten. Die ausgesprochen schmuckreich aufgefaßte Gruppe ist als Trinkgefäß konzipiert: Das allein mit zwei langen glatten Zapfen in den Sockel eingelassene Pferd des Heiligen läßt sich leicht herausziehen; nach Abnahme des Pferdekopfes ist dessen innen vergoldeter Rumpf als Trinkgefäß benutzbar. Ehemals befand sich im Sockel ein Laufwerk, mit dem das Trinkspiel über die Tafel bewegt wurde; derjenige Gast, vor dem es stehenblieb, hatte den mit Wein gefüllten Leib des Pferdes in einem Zug zu leeren.

Der hl. Georg galt als Inbegriff christlichen Rittertums. So sollte die Darstellung des Heiligen die adeligen Gäste der Tafelrunde an deren Pflichten zur Verteidigung des wahren Glaubens gemahnen, wie aus zeitgenössischen Kommentaren zu Tafeldekorationen dieses Themas hervorgeht. Der zeremonielle Trunk konnte der Bestätigung einer solchen Aufforderung dienen. Zwei weitere, fast identische Augsburger Gruppen des hl. Georg befinden sich in Darmstadt und Dresden; sie stammen von protestantischen Höfen, deren Fürsten insbesondere den Namen „Georg" führten. So ist auch für diese Münchner Gruppe des hl. Georg, die ein bedeutendes Zeugnis der Augsburger Goldschmiedekunst der Spätrenaissance bildet, die Herkunft aus einer fürstlichen Schatz- oder Silberkammer anzunehmen.

Lorenz Seelig

Abbildung: Jakob I Miller (1550-1618): Der hl. Georg im Kampf mit dem Drachen, Augsburg, um 1615; Silber, teilweise vergoldet und farbig gefaßt; Diamanten, Rubine, Türkise, Smaragde, Perlen; H. 39cm, L. 26,7 cm, B. 13,5 cm; © Bayerisches Nationalmuseum, Bastian Krack