Hermann Glöckner, Rechtwinklige Durchdringung: Zeichen F auf Schwarz, um 1932

Staatliche Graphische Sammlung, München

Seite A

Auf dem schwarz grundierten Tafelkörper überlagern sich jeweils zwei größere und zwei kleinere Rechtecke. Ihre Konturen bestehen aus goldenen Linien, von denen pro Doppelform die sich kreuzenden stärker ausgeführt und die Initiale F für Frieda Glöckner bilden.

Seite B

Im Vergleich zur A-Seite ist auf der B-Seite die Farbigkeit umgekehrt. Auf dem goldenen Fond stehen in Schwarz die Initialen HG für Hermann Glöckner.

Die von der Staatlichen Graphischen Sammlung München jüngst erworbenen Tafeln Rechtwinklige Durchdringung: Zeichen F auf Schwarz um 1932, sowie Rot über Schwarz und Blau (WVZ Dittrich 34) um 1932, zählen zu den Höhepunkten aus Glöckners Tafelwerk der frühen Jahre. Das Tafelwerk umfasst bis 1945 nach Christian Dittrichs Werkverzeichnis 154 Nummern und wächst zwischen 1945 und 1988 auf insgesamt 271 Objekte an.

Rechtwinklige Durchdringung: Zeichen F auf Schwarz zeichnet sich wie auch die oben genannte weitere Tafel durch eine intensive Durcharbeitung der beidseitigen Motive aus, die in engem wechselseitigen konzeptuellen Bezug stehen.
Die intendierte Zusammengehörigkeit beider jeweiligen Tafelseiten, ihre für das Verständnis sogar notwendige Zusammenschau, ist bei der Tafel Rechtwinkelige Durchdringung: Zeichen F auf Schwarz besonders offensichtlich. Über die formale Ebene hinausgehend bringt die Verwendung der Monogramme „F“ auf der A-Seite und „HG“ auf der B-Seite eine sehr persönliche Komponente mit ein, die somit vielleicht intimste Tafel des Werkkomplexes: Vom Künstler selbst als „Geburtstagstafel für Frieda“ bezeichnet, nimmt sie direkten Bezug auf Hermann Glöckners Frau und ist zudem ein Bekenntnis der engen Beziehung und Verbundenheit der Ehepartner.

Insbesondere die frühen Tafeln geben einen ästhetischen und konzeptuellen Schlüssel zu Glöckners späterem Gesamtwerk an die Hand und stehen für die hohe künstlerische Qualität einer programmatischen Variante des deutschen Konstruktivismus zwischen den beiden Weltkriegen. Zweifellos steht Glöckners Tafelwerk in seinem Rang der 1963 in Amerika publizierten „Interaction of Colours“ des vormaligen Bauhaus-Meisters Joseph Albers in nichts nach. Obwohl Glöckners Tafelwerk bereits Jahrzehnte vor Albers‘ Untersuchung geschaffen wurde, ist seine Zurkenntnisnahme, Bewertung und Anerkennung seiner Bedeutung im Kontext der Klassischen Moderne durch zwei deutsche Diktaturen verhindert worden und steht bis heute aus.

Dr. Michael Hering

Abbildungen:
Hermann Glöckner, Doppelseitig gearbeitete Tafel in Tempera, Papier und Lack auf Pappe; rückseitig u. r. in Weiß mit Negativnummern des Künstlers »149/6a« bezeichnet
© Staatliche Graphische Sammlung, München