Heinrich Campendonk, Gralsburg 1923

Stadtmuseum Penzberg

1911 entdeckte Gabriele Münter für die Künstlergruppe, die später unter dem Titel „Der Blaue Reiter“ ausstellen sollte, die Technik der Hinterglasmalerei in der bayerischen Volkskunst. Auch Franz Marc und Wassily Kandinsky experimentierten damals mit dieser Technik. Heinrich Campendonk, der Jüngste aus diesem Kreis, fand mit ihr eine Möglichkeit, seinem Ideal der aus sich selbst leuchtenden Farbe nahezukommen.

Hinterglasbilder Campendonks kommen eher selten in den Handel und haben sich aufgrund ihrer Fragilität zumal in dieser Größe nicht oft erhalten. Die Hinterglasbilder Campendonks sind jedoch nicht nur eine Rarität, sondern vor allem von ganz seltener Schönheit und Brillanz. Er ist der einzige der Expressionisten, der diese Technik über viele Jahrzehnte anwandte, der sie so elaboriert und in ihrer Wirkung vervollkommnet hat.

Nach Campendonks Rückkehr ins Rheinland 1923 zeigte das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld eine Einzelausstellung von Campendonks Hinterglasmalerei. Die Gralsburg dürfte in diesem Zusammenhang entstanden sein und ist ein besonders schönes und typisches Bespiel für diese dem Surrealismus nahen Werke. Viele Bilder aus dieser Zeit zeigen als Motivzusammenhang die „Gedanken im Kopf“ – wie auch der Titel eines ähnlichen Werkes lautet –, nämlich einen einzelnen Kopf mit einer traumartigen Sequenz im Hintergrund. In diesem Fall ist es eine Burg, die an Campendonks Seeshaupter Motiv, den Kirchturm, erinnert und stilistisch einigen Arbeiten Klees nahe ist, mit dem Campendonk befreundet war.

Die vitale Vielfarbigkeit und kubistische Verschränkung der Formen der frühen Werke Campendonks ist um diese Zeit nach dem Ersten Weltkrieg reduziert auf einen oftmals monochrom roten Farbgrund. Die Motive zeigen eine Reduktion auf ein klares Liniengefüge und ein magisch aufleuchtendes Spiel der Lichter.

Gisela Geiger

Abbildung:

Heinrich Campendonk, Gralsburg 1923
© Stadtmuseum Penzberg