Hans Ludwig Kienlin d. Ä., Trinkschiff, um 1650

Ulmer Museum

Eine wilde Schlacht ist in vollem Gange: Auf dem Oberdeck von Hans Ludwig Kienlins um 1650 geschaffenen Trinkschiff richten Kämpfer ihre Waffen gegen einen unsichtbaren Feind. Zwei Kanonen sichern Bug und Heck des Schiffes. Tauwerk aus Silberfiligran verbindet Schiffsrumpf und Mastkorb.

Vier Räder erlauben es, das Schiff frei zu bewegen. Das ausgefallene Gefäß diente nicht nur als repräsentativer Tafelschmuck, sondern auch der geselligen Unterhaltung. In den offenen Schiffskörper zwischen den beiden Decks konnte Wein gefüllt werden. Das Trinkschiff wurde nun mit einem kräftigen Stoß über die Tafel gerollt: Derjenige, vor dem es zum Stehen kam, musste es mittels des kleinen Röhrchens am Bug austrinken.

Hans Ludwig Kienlin d. Ä. gehört zu den wichtigsten Vertretern der Ulmer Silberschmiedekunst im 17. Jahrhundert. Seine Auftraggeber kamen sowohl aus dem bürgerlichen wie aus dem fürstlichen Bereich; seine Produkte waren weit über die Region hinaus gefragt. Dieser Bedeutung des Meisters steht eine recht geringe Zahl erhaltener Werke gegenüber. In den Sammlungen seiner Heimatstadt zeugen nur eine Montur für einen Elfenbeinhumpen und das Trinkschiff von Kienlins Kunst und seiner Bedeutung innerhalb der Gattung.

2014 erhielt das Ulmer Museum ein Restitutionsgesuch für das Trinkschiff. Das Werk wurde nachweislich im Oktober 1937 von einem Vertreter des Museums im Berliner Auktionshaus Paul Graupe erworben, das in der fraglichen Auktion die Kunstsammlung des jüdischen Sammlerehepaars Henry und Emma Budge anbot. Der gesamte Erlös der Verkäufe wurde anschließend beschlagnahmt; die Erben des Ehepaar Budge erhielten nichts.

In Anerkennung dieses Unrechts und gemäß der Prinzipien der Washingtoner Erklärung hat die Stadt Ulm die Rückgabe des Trinkschiffs an die Erben Budge beschlossen. Eine von der Ernst von Siemens-Kunststiftung geförderte Ausgleichszahlung an die Erbengemeinschaft ermöglichte gleichzeitig den Verbleib dieses bedeutenden Objekts in den Sammlungen des Ulmer Museums.

Dr. Eva Leistenschneider