Freilegung der Thronenden Muttergottes – Sedes Sapientiae, um 1300

Herzogliches Gregorianum München

Die Skulptur der "Thronenden Muttergottes" dürfte nicht zuletzt aufgrund ihres frühen Entstehungsdatums zu den besonders bedeutenden Stücken der Kunstsammlung des Herzoglichen Georgianums München gehören. Anlass zur Restaurierung gaben zunächst Fassungslockerungen der Skulptur; die Figur musste konserviert werden. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage einer Restaurierung, da das Erscheinungsbild der Skulptur sehr unbefriedigend, wenn nicht unwürdig war: Bei der Sichtfassung der Skulptur handelte es sich um eine historisierende Fassung vom Ende des 19. Jahrhunderts, die recht einfach und eher plakativ gestaltet war und die Skulptur auch in ihrer Plastizität deutlich vergröberte. In den 60er/70er Jahren des 20. Jahrhunderts war diese Fassung einschließlich tiefer liegender Schichten – gedacht wohl als Beginn einer Freilegung – in großen Feldern unsystematisch 'aufgekratzt' und willkürlich abgetragen worden. Dieser Zustand der Figur blieb bis heute unverändert.Da die Sichtfassung als eine deutliche Minderung der Skulptur empfunden wurde und zudem der Aufwand zum restauratorischen Schließen der aufgekratzten Oberflächen und zur Restaurierung der Sichtfassung nicht unerheblich gewesen wäre, beschloss der Kunstbeirat des Herzoglichen Georgianums, die begonnene Freilegung nach heutigem Standard fortzuführen.Vor der Entscheidung zur Freilegung wurde eine umfassende Befunduntersuchung an der Skulptur durchgeführt, um die Fassungssituation unter der Sichtfassung zu klären. Es zeigte sich, dass insgesamt bis zu sieben historische Fassungsebenen nachweisbar waren, wobei keine der älteren Fassungen sich zusammenhängend erhalten hat. Die ältesten Fassungsfragmente dürften romanischen bzw. gotischen Ursprungs sein. Mit der Freilegung wurden in einem langwierigen Arbeitsprozess bei mikroskopischer Vergrößerung schrittweise alle jüngeren Grundier- und Farbschichten abgenommen und die Skulptur auf die ältesten Fassungsfragmente freigelegt. Damit konnte auch die ursprüngliche schnitzerische Form des Andachtsbildes wieder zur Geltung gebracht werden.Die Skulptur wurde nach der Freilegung zurückhaltend retuschiert, optisch störende Bereiche wurden beruhigt. Ziel war ein dem Alter und der Qualität der Skulptur angemessener gepflegter und würdiger Zustand, bei dem sowohl der heutige museale Kontext als auch die ursprüngliche Bedeutung des Kunstwerkes als Andachtsbild berücksichtigt werden.

Rolf-Gerhard Ernst, Ulrike Merz

Abbildungen:
1 Restauratorin während der Freilegung - Detail
2 Schlusszustand
3 Schlusszustand Detail
4 Vorzustand mit Beginn der Freilegung
5 Vorzustand Detail

Alle Abbildungen © Herzogliches Gregorianum München