Fliegende Blätter. Die Sammlung der Einblattholzschnitte des 15. und 16. Jahrhunderts

Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha

Thüringen ist Lutherland und das Kernland der Reformation. In Eisenach und Erfurt hat Martin Luther seine Schul- und Universitätsausbildung erfahren, auf der Wartburg begann er die Übersetzung der Bibel und damit sein Kultur, Sprache und Religion prägendes Wirken. Das Eintreten der Ernestiner für die lutherische Sache, ihre Weltoffenheit, Toleranz, Kunstsinnigkeit und Sammelleidenschaft sichert uns noch heute den Zugriff auf Kunstwerke, Bücher, Dokumente und Archivalien der Reformation. Die Handschriften und Drucke gehören zu den weltweit bedeutendsten reformationshistorischen Quellen.

Die Einblattdrucke, die in diesem doppelbändigen Katalog vorgestellt werden, gehören zu den Kostbarkeiten.

Illustrierte Flugblätter der Reformationszeit waren die Massenkommunikationsmittel ihrer Zeit. Sie zielten wie heute die social media auf ein möglichst breites Publikum. Illustrationen mussten in Teilen die Schriftsprache ersetzen, und das öffentliche Vorlesen nahm einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft ein, denn nur in geringem Maße war damals die Bevölkerung in der Lage, zu schreiben und zu lesen.

Dass solche Drucke, die eigentlich für den lesenden Gebrauch bestimmt waren, die öffentlich aufgehängt wurden oder mehrfach gefaltet, weitergegeben oder verstaut wurden, gut 500 Jahre überdauerten, ist Sammlern zu danken, die frühzeitig den Wert der Blätter erkannten. Sie legten Kollektionen an und schützten die Drucke damit vor Verschleiß. Die Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha besitzt eine solche Sammlung von knapp 700 illustrierten Einblattdrucken und Flugblättern, die aus dem Jahrhundert der Reformation stammen und dieses in politischer, gesellschaftlicher und konfessionell-religiöser Hinsicht abbilden.

Die Gothaer Sammlung beeindruckt: die Provenienz – möglicherweise noch aus Wittenberg stammend –, die künstlerische Qualität, die Heterogenität der Themen. Der opulente zweibändige Bestandskatalog schließt zur Würdigung des Bestandes hier hervorragend an.