Erwerbung mit großer ikonographischer Bedeutung – Silberner Prunkdeckelpokal mit Eisenbahnsujet von Johann Georg Hossauer

DB Museum Nürnberg

Der 1841 datierte Silberpokal ist eine Ehrengabe der Magdeburg-Chöten-Halle-Leipziger Eisenbahn-Gesellschaft für den Magdeburger Oberbürgermeister August Wilhelm Francke (1785-1851). Francke zählte zu den Initiatoren der Bahn und fungierte bis zur Eröffnung der Gesamtstrecke 1840, nur fünf Jahre nach der ersten Fahrt einer Dampfeisenbahn in Deutschland, als deren Direktor. Mit der Ehrengabe dankte die Bahngesellschaft Francke für seine Verdienste und versuchte, sich auf diese besondere „Weise“ dessen weiteres Wohlwollen zu sichern.

Der klassizistische, reich verzierte und gravierte Deckelpokal stammt aus der preußischen Goldschmiedewerkstatt von Johann George Hossauer (1794-1874). Die Authentizität belegen Meister- und Beschauzeichen sowie eine punzierte Lötigkeitsziffer. Seine Ausführung geht auf einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) aus dem Jahre 1830 zurück und stellt das einzige noch erhaltene, auf diesem Entwurf beruhende Exemplar dar. In Gestalt und Ausführung handelt es sich um ein künstlerisch äußerst qualitätsvolles und formal typisches Exemplar der in der Nachfolge des Schinkel-Entwurfs entstandenen Pokale. Seine etwas größere Höhe und die Verwendung von 15lötigem anstelle des üblichen 12lötigen Silbers zeichnen ihn besonders aus.

Den Anlass und Hintergrund für die Anfertigung des Pokals weisen die Inschrift und die bildlichen Darstellungen nach. Dabei handelt es sich um eine Widmung und Darstellungen von zwei Bahnhofsgebäuden und einem Zug. Letztere geben dem Pokal eine besondere kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung: Es handelt sich um die erstmalige silbergravierte Darstellung des Sujets Eisenbahn in der deutschen Goldschmiedekunst, ausgeführt von dem führenden Goldschmied Preußens. Eisenbahnhistorisch stellt der Pokal ein exemplarisches, beeindruckendes, durch seine Wertigkeit die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Eisenbahn widerspiegelndes Zeugnis der Frühzeit der modernen Verkehrsgeschichte dar, aus der es insgesamt nur sehr wenige erhaltene Objekte gibt.

Die meisten Initiativen zum Eisenbahnbau waren in den ersten Jahrzehnten privater Natur gewesen und erfolgten ob des immensen Investitionsbedarfs in Form von Aktiengesellschaften. Vielerorts stammten die Initiatoren und Aktionäre aus dem lokalen Bürgertum und unterhielten enge Bindungen zu Politik und Verwaltung oder gehörten diesen selbst an. Solche Netzwerke waren oft entscheidend für den Erfolg der Unternehmungen. Francke selbst war ein typischer und einer der ersten und einflussreichsten Vertreter dieser Entwicklung, die sich an vielen Orten wiederholte, und in dessen Person sich Visionär, Unternehmer und Amtsträger vereinten.

Stefan Ebenfeld

Abbildung:

Johann Georg Hossauer, Deckelpokal, gewidmet dem Magdeburger Oberbürgermeister August Wilhelm Francke (1841), nach einem Entwurf der Form von Karl Friedrich Schinkel (1830), Silber (getrieben, gegossen, gedrückt, gestanzt, graviert, ziseliert, geätzt und montiert), 54 cm Höhe
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