Erwerbsförderung einer kostbaren Kassette mit Reise-Necessaire, um 1625/1630

Kunstsammlung und Museen der Stadt Augsburg, Maximilianmuseum

Die kostbare Kassette mit Reise-Necessaire ist eine Rarität. Auf dem Deckel befinden sich zwei Stempel: Der Pinienzapfen verweist auf die Reichsstadt Augsburg, deren Tischler, „Kistler“ genannt, sich ab dem späten 16. Jahrhundert auf die Anfertigung von „Schreibtischen“, also Schreibkästchen bzw. Kabinettschränken, spezialisiert hatten. Um 1600 waren Augsburger Möbel mit Ebenholzfurnier so begehrt, dass zahlreiche Fälschungen aus gebeiztem Birnenholz im Umlauf waren. Zum Schutz dagegen wurde um 1625 ein zusätzlicher Stempel mit dem Wort „EBEN“ verwendet, der die Verarbeitung von echtem Ebenholz garantierte. Die truhenartige Kassette besteht aus zwei gleichhohen Kästen, die sich auseinanderklappen lassen. Die dunkle und glatte Oberfläche wird nur durch schmale Eisenbeschläge gegliedert. Die geöffnete Kassette zeigt in ihrem Inneren raffinierte geometrische Furnierarbeiten, sogenannte Marketerien, aus kostbaren exotischen Hölzern mit Zinnadern. Derartige Kleinmöbel mit identischem Dekor galten bisher als Erzeugnisse Münchner Hofwerkstätten. Diese Annahme widerlegt nun die gemarkte Augsburger Verwandlungstruhe. Eine Seltenheit ist, dass sich Teile des originalen Zubehörs erhalten haben. Die untere Hälfte der Truhe enthält ein Tintenfass und eine Streubüchse. Die vier Glasfläschchen mit Schraubverschlüssen aus Zink sind Bestandteil einer Apotheke. Der Deckel des mittleren Fachs diente zugleich als Spiegel. Die Kassette enthielt wohl Pulver und Crèmes zur Schönheitspflege. Unten befindet sich eine Schublade mit einem klappbaren Spielbrett mit Spielsteinen und Würfeln. Im Deckelkasten wurden in einem herausnehmbaren Behälter Geräte wie Schreibfeder, Nadel, Löffel, Schere aufbewahrt. Die Schere hat sich erhalten. Der Behälter birgt auf seiner Unterseite eine Geheimschublade sowie ein dünnes Fach mit einem Lineal. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren Kassetten und Kabinette mit Apotheken, Schreibzeug, Toilette-Necessaire und Spielen äußerst beliebt. Der Augsburger Kaufmann, Kunstagent und Diplomat Philipp Hainhofer, der berühmt war für die von ihm konzipierten kostbaren Kunstschränke, verkaufte nachweislich auch zahlreiche dieser „Trüchlein“ genannten Kleinmöbel, die als Schmuckkästen, Apotheken oder Kindbettgeschenke dienten.

Dr. Christoph Emmendörffer

 

Abbildung:

Verwandlungstruhe, um 1625/1630, Konstruktionsholz: Eiche, Nadelholz; Furnier: Ebenholz, Makassar, Honduras Mahagoni, Padouk, ostindischer Palisander; Beschläge: Eisen, Messing © Kunstsammlung und Museen der Stadt Augsburg, Maximilianmuseum