Erwerb des Nachlasses des Photographen UMBO, 20. Jahrhundert

Sprengel Museum Hannover, Berlinische Galerie, Stiftung Bauhaus Dessau

Im Februar 2016 erwarb die Ernst von Siemens Kunststiftung Teile des Nachlasses des Fotografen Otto Maximilian Umbehr, genannt Umbo, und stellte sie den beteiligten Museen (Sprengel Museum Hannover, Berlinische Galerie, Stiftung Bauhaus Dessau) als unbefristete Leihgabe zur Verfügung.

Von dem Kunsthistoriker Herbert Molderings, Autor der ersten Monographie zu dem Fotografen, wird die Serie als erste Reportage in der Geschichte des Mediums identifiziert.

Umbo arbeitet zu dieser Zeit für den in Berlin ansässigen Deutschen Photodienst (Dephot), gegründet 1928 von Simon Guttmann und Alfred Marx und bis zur Emigration Guttmanns Ende 1933 in Deutschland tätig. Die Reportage über den Clown Grock, (* 10. Januar 1880 als Charles Adrien Wettach in Loveresse, Schweiz; † 14. Juli 1959 in Imperia, Italien) mit dem Titel "Dr. phil. h. c. Grock" erscheint am 27. April 1929 in der "Kölnischen Illustrierten Zeitung".

Auch in den kommenden Jahren wird Umbo bevorzugt Motive aus dem Umfeld von Zirkus, Varieté und Kino suchen. Das liegt vermutlich zum einen daran, dass sich hier in eine unpolitische ‚Nische‘ zu bieten scheint. Als Fotograf dieses Metiers ist Umbo in den 1930er Jahren allerdings äußerst populär, was auch auf eine sehr persönliche Neigung schließen lässt.  Motive von Clowns und Harlekinen, Tänzerinnen und Akrobaten repräsentieren diejenigen, die sich dem Regelwerk der Gesellschaft entziehen – Umbo identifiziert sich in den Jahren, die bezeugt werden können, mit diesem Rollenmuster, lebt es.

Guttmann und Umbo verbinden, wie viele Generationsgefährten, Jugenderfahrungen in der Wandervogelbewegung. Die Reportage über den Clown mag auch als Widerhall auf diese Zeit, auf Ideale im Widerstreit mit disziplinierendem Bürgersinn gelesen werden. Das ‚stille Glück‘, das dieser Clown in Vorfreude auf die öffentlich zu präsentierenden Kunststücke des Scheiterns empfindet, wird vom Fotografen sicher geteilt.

Dr. Inka Schube, Sprengel Museum Hannover

 

Otto Maximilian Umbehr, bekannt unter seinem Künstlernamen Umbo, erhielt nie eine fotografische Ausbildung, es war der von Johannes Itten geleitete Vorkurs im Wintersemester 1921/1922 am Staatlichen Bauhaus in Weimar, dessen elementarer Formunterricht in Verbindung mit Materialübungen seinen Blick für Gegensätze schärfte. Aus dieser Prägung heraus schuf Umbo die Fotografien, die er auf Anregung seines Freundes Paul Citroen ab 1926 im Berliner Künstler- und Schauspielermilieu aufnahm, wozu auch die erworbenen Aufnahmen der Bauhäusler zählen. Ausgestattet mit einer sogenannten Reisekamera im Format 13 x 18 entwickelte er eine neue Form des Porträts: Die Nahaufnahme des Gesichtes. Charakteristisch für seine Schwarz-Weiß-Fotografien sind harte Licht-Schatten-Kontraste sowie ungewöhnliche Perspektiven und drastische Ausschnitte. Die Vintage Prints zeigen die Spannbreite seiner Porträtaufnahmen: Vom Bildnis, auf dem nur noch die Augenpartie sichtbar ist, über Bilder von Menschen in ihrem Milieu bis zu Porträtstudien, bei dem der besondere Ausdruck bzw. die Schönheit der Erscheinung zählt. Gemeinsam sind ihnen die bewusste Formgestaltung sowie die Verknüpfung von Empfindsamkeit und Sachlichkeit. Es sind weder Schnappschüsse noch zählt das Porträt an sich, sondern die Inszenierung. Bauhäusler ist Umbo immer darin geblieben, dass das bildlich Gegebene ihm immer Rohmaterial war, das er künstlerisch weiterentwickeln konnte.

Umbos künstlerischer Gestaltungswille wird ebenfalls in der Aufnahme sichtbar, die während einer Feier in einem der Ateliers im sogenannten Prellerhaus, dem Ateliergebäude des Bauhauses in Dessau entstanden ist. Umbo war auch am Bauhaus in Dessau ein häufig gesehener Gast, er wurde sogar im Frühjahr 1929 als möglicher Kandidat für die Leitung der neu eingerichtet Fotoklasse gehandelt.

Die acht Abzüge Umbos beleuchten so einen wichtigen Weg der Bauhausgeschichte und bereichern die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau um einen der wichtigsten Fotografen der Moderne.

Dr. Sylvia Ziegner, Stiftung Bauhaus Dessau

Abbildungen

1)Otto Umbehr (UMBO) (1902 - 1980), Grock, Aus der Serie: Clown Grock, 1928/1929, Silbergelatinepapier, modern print, 24 cm x 18 cm, Berlinische Galerie, Berlin

2) Otto Umbehr (UMBO) (1902 - 1980), o. T. (Frau im Vogelkostüm), um 1930, Silbergelatinepapier, vintage print, 23,3 cm x 17,3 cm, Berlinische Galerie, Berlin

3) Otto Umbehr (UMBO) (1902 - 1980), o.T. (Akrobatische Einlage), um 1930, Silbergelatinepapier, vintage print, 17,6 cm x 23,7 cm, Berlinische Galerie, Berlin

4) Otto Umbehr (UMBO) (1902-1980), o.T. (Kleine Feier in einem Atelier im Prellerhaus), um 1928, Silbergelatinepapier, vintage print, 16,2 cm x 21,7 cm, Stiftung Bauhaus Dessau, Inv.-Nr.: I 51131

5) Otto Umbehr (UMBO) (1902-1980), Ruth Landshoff, 1927/1928, Silbergelatinepapier, vintage print, 17,4 cm x 12,5 cm, Berlinische Galerie, Berlin

6) Otto Umbehr (UMBO) (1902-1980), Erika, um 1930, Silbergelatinepapier, vintage print, 23,9 cm x 16 cm, Berlinische Galerie, Berlin