Ein Meisterwerk der klassizistischen Porträtkunst erworben: Johann Heinrich Dannecker, Büste der Charlotte von Württemberg, 1806

Stadtmuseum Hildburghausen

Die im Sommer 2008 in Schloss Hohenlohe-Schillingsfürst aufgetauchte, zuvor gänzlich unbekannte Büste lässt sich dank der Profilaufnahme von 1909 (nach dem verschollenen Exemplar von Schloss Ludwigsburg) bestimmen als Bildnis der Prinzessin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen (1787–1874), verheiratet seit Herbst 1805 mit Prinz Paul von Württemberg. Dannecker erhielt im Frühjahr 1806 den Porträtauftrag und wird ihn nach Kenntnis seiner Arbeitsweise Mitte bis 2. Hälfte des Jahres abgeschlossen haben. Innerhalb der Reihe bedeutender Frauenbildnisse, mit denen sich Dannecker als Seismograph seelischer Befindlichkeiten zeigt, präsentiert die neue Büste den eindeutigen Höhepunkt. Der jugendliche Zauber, das gute Aussehen der 19-Jährigen und der Ausdrucksreichtum des Bildhauers in seiner gestalterisch besten Zeit führten zu einem Bildnis, das nicht nur zu den qualitätvollsten Arbeiten Danneckers zu zählen ist, sondern auch zu den Meisterwerken der Porträtkunst des deutschen und europäischen Klassizismus.

Prinzessin Charlotte und ihre Familie müssen mit Danneckers Leistung sehr zufrieden gewesen sein. Vier weitere Exemplare der Büste sind nachweisbar, aber allesamt verschollen oder zerstört. Sie entstanden für König Friedrich von Württemberg, den Schwiegervater, für Herzog Friedrich von Sachsen Hildburghausen, den Vater, für Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, die älteste Tochter, und für Königin Therese von Bayern, eine jüngere Schwester. Es ist anzunehmen, dass Dannecker die genannten Büsten in Gips gefertigt hat. Er konnte unter den schwierigen finanziellen Verhältnissen in der kleinen Residenzstadt Stuttgart nur relativ selten mit Marmor arbeiten. Aus der Not machte er eine Tugend. Wie schon bei der ersten Schillerbüste von 1793/94 wiederholten sich die Fälle, in denen er sich ganz auf Ausformungen in Gips beschränkte. Deren Oberfläche behandelte er aber so lange, bis sie durch die Feinheit der Ausführung eine Qualität und Wirkungskraft erhielten, um sich neben den Arbeiten in Marmor ästhetisch gleichrangig behaupten zu können. Die Signatur auf der Rückseite adelt die Gipsbüste zusätzlich, denn das 1909 photographierte Exemplar trug keine Signatur.

Prof. Dr. Christian von Holst

 

Abbildung:

Johann Heinrich Dannecker, Büste der Charlotte von Württemberg, 1806, Gips; mit Sockel, ungefasst, rückseitig bezeichnet: Dannecker fecit; H. 65 cm, B. 42 cm, T. 24 cm © Stadtmuseum Hildburghausen