Ein Grossberg für Würzburg - Carl Grossbergs "Unterführung in Kitzingen", 1925

Museum im Kulturspeicher Würzburg

Carl Grossberg (1894–1940) gehörte zu den profiliertesten Vertretern der Neuen Sachlichkeit. Vor allem mit seinen Industriebildern, aber auch den menschenleeren, kühlen Stadt- und Dorfansichten hatte er sich bereits zu Lebzeiten einen Namen gemacht. Für die Kunstgeschichte Unterfrankens ist Grossberg eine zentrale Figur: Nach seinem Studium am Bauhaus ließ er sich 1921 in Sommerhausen nahe Würzburg nieder, wo er mit seiner Frau Tilde einen mittelalterlichen Wohnturm bezog. Befreundet mit der Malerin Gertraud Rostosky und gefördert von dem progressiven Würzburger Kunsthändler Oskar Laredo, gehörte Grossberg zu den „Modernen“ in Unterfranken, die sich gegen die „Traditionalisten“ im Umfeld des Gründungsdirektors der Würzburger Städtischen Galerie, Heiner Dikreiter, zu behaupten hatten. Dikreiter lehnte Grossbergs Malerei strikt ab – diesem Umstand ist es geschuldet, dass das Museum im Kulturspeicher als Nachfolgeinstitution der Städtischen Galerie bislang nur ein Gemälde dieses Künstlers in seiner Sammlung bewahrte: die Würzburger Stadtansicht „Brückenkopf an der Alten Mainbrücke“.
Mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und weiteren Förderern konnte nun mit der „Unterführung in Kitzingen“ von 1925 ein weiteres Beispiel für Grossbergs fränkische Ortsansichten erworben werden. Das pittoreske Kitzinger Stadtbild ist hier in den barocken Architekturen zu erahnen – im Vordergrund steht jedoch eine Brachlandschaft mit Sandhaufen und einem zerbrochenen Zaun. Ein Sandweg läuft auf eine moderne Unterführung zu. Statt des touristischen Flairs betont Grossberg die Tristesse einer öden Kleinstadt an einem düsteren Tag im Spätherbst. In der scharfkantigen Darstellung der Architektur und der Klarheit der Formensprache ist das Gemälde ein repräsentatives Beispiel für Grossbergs eigenständige Bildauffassung; von dem hellfarbigen „Brückenkopf an der Alten Mainbrücke“ unterscheidet es sich durch die Einbeziehung landschaftlicher Elemente und vor allem den atmosphärisch gestalteten Himmel.
Der Sammlungsschwerpunkt der Neuen Sachlichkeit in Franken mit Werken etwa von Christian Schad, aber auch den unterfränkischen Künstlern der 1920er Jahre wie Georg Ehmig, Hans Baumann oder Fritz Rieger wird damit durch ein weiteres, hochkarätiges Werk gestärkt.

Henrike Holsing

Abbildung:
Carl Grossberg, Unterführung in Kitzingen, 1925, Öl auf Leinwand, 38,5 x 48,5 cm, Foto: Benjamin Hasenclever.