Egerer Reliefintarsien-Kabinett, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts

Sudetendeutsches Museum, München

Der Kauf eines Egerer Kabinetts für die Dauerausstellung des in Planung begriffenen Sudetendeutschen Museum in München war ein erfreuliches Ereignis für die Sudetendeutsche Stiftung.

Das in geschlossenem Zustand schlichte Kabinett, dessen Furnier in der Zeit des Historismus auf Ebenholzart überfasst wurde, zeigt in geöffnetem Zustand im Zentrum eine Darstellung des Jesuskindes im Tempel mit dem Heiligen Geist in der Glorie. Auf den Flügelinnenseiten sind Maria, Josef, Joachim und Anna zu sehen. Die Türinnenseite des Hauptfachs präsentiert das Gnadenbild von Altötting. Die Krone Mariens ist mit Flussperlen besetzt, als Mantelschließe dient ein böhmischer Granat(?)-Stein. Die Schubläden tragen Darstellungen von Fruchtschalen und Fruchtgirlanden mit Quitten (als Symbol für Liebe, Glück, Fruchtbarkeit, aber auch Beständigkeit und Unvergänglichkeit), Granatäpfeln (als Symbol der Ecclesia) und Kaffeekirschen.

Bei der Reliefintarsie handelt es sich um einen Sondertypus der Intarsie, die als Spezialität der Kunsttischler aus dem westböhmischen Eger anzusehen ist. Bei dieser Kunst wurden unterschiedlich starke Hölzer verwendet, die man zum Teil beschnitzte und kolorierte. Die Egerer Kunsttischler fertigten in dieser Art Brettspielkassetten, Schatullen und wertvolle Kabinettschränke, die als „Egerer Kästen“ oder „Egerer Kabinette“ bezeichnet werden. Den Kundenkreis stellten wohlhabende Adelige, reiche Kaufleute und Bürger. Vom Egerer Stadtrat wurden diese Kunstwerke häufig als Ehrengeschenke an wichtige Gäste und einflussreiche Persönlichkeiten verschenkt. Mit solch wertvollen Gaben versuchte man, sich mögliche Fürsprecher gewogen zu halten. „Die Reliefintarsia war“ – so Jochen Voigt – „zu einem Markenzeichen Egers und zu einer an vielen Höfen Europas geschätzten Spezialität geworden.“ Als Symbol einer europäischen Hochkultur, in die auch die freie Reichsstadt Eger eingebunden war, und so als Symbol für einen Kulturstandard vor der Zeit der Nationalismen, setzt das Kabinett einen wichtigen Akzent für die Dauerausstellung des Sudetendeutschen Museums. Die Ikonographie des Kabinetts schlägt mit der hervorgehobenen Darstellung des Gnadenbildes von Altötting, der bekanntesten Marienwallfahrt Bayerns, einen sinnfälligen Bogen ins Nachbarland und macht deutlich, dass auch auf dem Gebiet der religiösen Kultur „grenzüberschreitend“ gedacht wurde.

Dr. Elisabeth Fendl

Abbildungen:
Eger, spätes 17. Jahrhundert
Nadelholz und ebonisiertes Laubholz
Reliefintarsien aus verschiedenen Hölzern. Flussperlen und Granat(?)-steine
88 cm x 65 cm x 38,5
©Sudetendeutsches Museum, München