E. T. A. Hoffmann, Hoffmann beim Vorlesen mit C. F. Kunz, 1808/1813

Staatsbibliothek Bamberg

Im Juni 2012 glückte der Ernst von Siemens Kunststiftung bei einer Auktion der Autographenhandlung J. A. Stargardt die Erwerbung einer eigenhändigen Bleistiftzeichnung des künstlerischen Multitalents E. T. A. Hoffmann (1776–1822). Originalzeichnungen Hoffmanns sind äußerst rar; auf dem Kunstmarkt tauchen sie so gut wie nie auf. Die soeben erworbene Zeichnung galt seit 1884 als verschollen. Bekannt war sie durch die gleichfalls angebotene druckgraphische Reproduktion von 1839.

Entstanden ist die Zeichnung in der Bamberger Zeit Hoffmanns zwischen 1808 und 1813. Der Bamberger Verleger, Leihbibliothekar und Weinhändler Carl Friedrich Kunz (1785–1849), Freund und erster Verleger E. T. A. Hoffmanns, beherrscht üppig das Zentrum des Blattes: Im Bett liegend liest er, beim Schein einer Kerze, Hoffmann aus einem Schriftstück vor, der sich selbst in verschatteter Rückenansicht mit ins Bild gebracht hat. Beide Figuren sind vom Künstler namentlich bezeichnet. In seinen Erinnerungen berichtet Kunz, dass er und Hoffmann sich bei ihren Zusammenkünften gelegentlich aus literarischen Werken vorlasen – eines dieser Treffen wurde wohl in dieser Zeichnung festgehalten.

Auf der Rückseite des Blattes finden sich die Schlusszeilen eines Briefes, dessen unbeschriebenen Teil Hoffmann abgerissen und als Zeichenpapier umgenutzt hat..

Ein Vergleich der Zeichnung mit der Radierung zeigt gewichtige Unterschiede: Die szenische Gestaltung ist in der Druckgraphik deutlich gestaucht und in die Breite gezogen. Während auf dem originalen Blatt Kunz die deutlich dominierende, übergewichtig wiedergegebene Gestalt ist, erscheinen die beiden Personen in der Nachgestaltung annähernd gleich proportioniert.

Zeichnung und Radierung wurden der Staatsbibliothek Bamberg als Leihgaben anvertraut, in der die weltweit größte Sammlung originaler Zeichnungen und Aquarelle E. T. A. Hoffmanns sowie eine Vielzahl der erhaltenen Autographen verwahrt werden. Die Bibliothek hütet bereits seit 2010 vier weitere Hoffmanniana aus dem Eigentum der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Prof. Dr. Werner Taegert

Abbildungen:

1. E. T. A. Hoffmann (1776-1822), Zeichnung, Bleistift auf Büttenpapier, 14,8 x 21,3 cm

2. Johann Baptist Sonderland (1805-1878), Radierung aus dem Jahr 1839 / Einzelblatt als Vorabdruck einer Buchillustration, 11,9 cm x 17,1 cm (Plattenrand)

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