Die Bronzen der Münchner Residenz, 16./17. Jahrhundert

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Residenz München

Neptun schwebt – was ihm als Gott wohl ansteht, auch wenn sein Herrschaftsbereich weniger die Luft ist, als vielmehr der Ozean, in den sich der grimmige Delphin zu seinen Füßen zurückzusehnen scheint. Doch nur kurz war zum Glück die Flugreise, die die schwergewichtige, um 1584/86 vom niederländischen Bildhauer Hubert Gerhard geschaffene Bronzeplastik mittels Seilzug und Kran im letzten Spätherbst zurückzulegen hatte: Dank der finanziellen Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte die bayerische Schlösserverwaltung damals in der Münchner Residenz die neuen „Bronzesäle“ einrichten, die im Dezember 2015 feierlich eröffnet wurden. Zukünftig wird hier die hochbedeutende Sammlung figürlicher Großbronzen, die zwischen 1580 und 1620 für die Höfe, Gärten und Fassaden des Wittelsbacher Herrschaftssitzes geschaffen wurden, präsentiert – und zugleich dauerhaft vor den schädlichen Umwelteinflüssen, denen die Figuren im Freien ausgesetzt waren, geschützt: Götter und Heroen, mythologische Naturwesen und allegorische Personifikationen erwarten die Besucher im weitläufigen Vierschäftesaal und drei angrenzenden Erdgeschossräumen am Kaiserhof. Eine wunderbare Lichtstimmung und der großflächig erhaltene frühbarocker Deckenstuck bilden hier einen perfekten Rahmen für die dunkel schimmernde Patina der Figuren von Hubert Gerhard, Carlo di Cesare del Palagio und Hans Krumpper. Die Förderung durch die EvSK ermöglichte in den vergangenen Jahren nicht nur die Anfertigung hochwertiger Kopien der historischen Bronzen, die die Originale künftig im Außenbereich vertreten. Als Abschluss des Projekts konnte auch eine gleichermaßen zurückhaltende wie hochelegante Sockellandschaft kreiert werden. Klug abgehoben und dennoch den Blicken nah fordern die kraftvoll und graziös in den Raum ausgreifenden Figuren den Betrachter nun zum lustvollen wandeln und zum unmittelbaren Vergleich der künstlerischen Handschriften auf. Gründe zu schweben gibt es genug demnach, so scheint es das schalkhafte Lächeln der kleinen bronzenen Liebesgötter zu verheißen, während Neptun, nun fest verankert auf seinem neuen Postament, Neugierige und Kunstjünger mit gebieterischer Geste zum Nähertreten auffordert.

Dr. Christian Quaeitzsch