Daniel Mauch, Verkündigung an Maria, 1510/1515

Ulmer Museum

Im 15. und frühen 16. Jahrhundert war die Reichsstadt Ulm eines der bedeutendsten Kunstzentren im Süden Deutschlands. Vor allem große Flügelaltäre aus Ulmer Werkstätten waren ein gefragtes Gut weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Zu den prägendsten Künstlern dieser Zeit gehört der Bildschnitzer Daniel Mauch (1477–1540). Er arbeitete bereits sehr früh mit den neuen, aus Italien kommenden Motiven der Renaissancekunst, die er zunächst vor allem als "modernen" Dekor in die Rahmengestaltung seiner Flügelaltäre integrierte, während die Bildszenen der spätgotischen Ulmer Tradition verpflichtet blieben.

Die Verkündigung ist ein Fragment eines solchen Flügelaltars. Die Gottesmutter empfängt die Botschaft des Engels kniend vor einem Betpult, in dessen offene Fächer Bücher und – als genrehaftes Detail – ein Paar Schuhe eingestellt sind. Mauch gestaltete zahlreiche Retabel, bei denen sowohl die Innenseiten der Flügel als auch der Altarschrein mit geschnitzten Reliefszenen geschmückt waren. Wegen seiner geringen Tiefe und Breite wird das Relief mit der Verkündigung ursprünglich für einen Seitenflügel bestimmt gewesen sein; der Bildaufbau lässt vor allem an die Seite links des Retabelschreins denken. Für welche Kirche der Altaraufsatz geschaffen wurde, ist unbekannt; weitere Fragmente des Ensembles scheinen nicht überliefert.

Die Verkündigung zeigt Reste der originalen Farbfassung und geringe Spuren von jüngeren Übermalungen. Zum ursprünglichen Erscheinungsbild gehörten neben den vergoldeten Außenseiten der Mäntel wohl eine Versilberung des Engelsgewands und ein Brokatmuster auf dem Kleid Marias. Die Mantelsäume zeigen Verzierungsreste in Sgraffitotechnik und Spuren von aufgeklebten Holzperlen.

Im Ulmer Museum, zu dessen Schwerpunkten die Ulmer Spätgotik gehört, wird die Verkündigung künftig zusammen mit dem Engel mit Füllhorn zu sehen sein – dem bislang einzigen Werk Daniel Mauchs in den städtischen Sammlungen. Während der um 1520 entstandene Engel die motivischen Anleihen aus der italienischen Kunst illustriert, steht die Verkündigung für die traditionellen Tendenzen im Schaffen des Künstlers – zwei Stil- und Motivsprachen, die er offenbar je nach Wunsch des Auftraggebers in seinen Arbeiten zu kombinieren wusste.

Dr. Eva Leistenschneider

Abbildung:
Daniel Mauch (1477-1540)
Verkündigung an Maria
Relief, Holz, Reste farbiger Fassung
92 cm x 103 cm x 13,5 cm

© Ulmer Museum