Corinths Sinnbild der Schickeria

Landesmuseum Hannover

Das monumentale Leinwandgemälde »Bacchanale« von Lovis Corinth (1858-1925) datiert 1896 und ist signiert. Das 117 x 204 cm große Bild wurde kontinuierlich publiziert und ist in sämtlichen großen Monografien und Katalogen hervorragend verzeichnet. Sein Zustand ist weitgehend authentisch; es wurde kürzlich gereinigt und weist einen guten und stabilen Erhaltungszustand auf.

In den 1890er Jahren verwendete Corinth als Motiv mehrfach das Thema des alten Silen und junger Mänaden, trunkene Anhänger des Weingotts Dionysos. Auf diesem Bild feiert eine Gruppe von nackten und kaum bekleideten Frauen und Männern auf einer grünen Wiese. Offenbar handelt es sich um ein Frühlingsfest anlässlich der Wiedergeburt der Natur. Im Vordergrund liegt ein junger Mann im Gras, während eine hinter ihm stehende Mänade ihm mit dem linken Fuß in den Rücken tritt, seine linke Hand ergreift und mit einem Kiefernzweig auf sein Gesäß schlägt. Das Lachen der Frau zeigt ebenso wie der verzückte Gesichtsausdruck des Mannes, dass es sich um ein Spiel handelt. Im Hintergrund zieht der alte Silen eine junge Mänade hinter sich her, während rechts ein dunkelhäutiger Mann eine rothaarige Frau küßt und am rechten Bildrand eine weitere Mänade mit einer Weinranke verzückt in den Himmel blickt. Links tanzt eine Gruppe von drei Frauen und einem dunkelhäutigen Mann einen wilden Reigen. Der dunkle Himmel, an dem sich rot der Morgen andeutet, weist auf eine zu Ende gehende ausgelassene Nacht hin. In Künstlerkreisen war Corinth wegen seiner Geselligkeit und Fähigkeit, große Mengen von Alkohol zu trinken, bekannt. Die Frisur der Mänade im Vordergrund ebenso wie der Schnurrbart des ihr zu Füßen legenden Mannes verweisen auf eine zeitgenössische Szene, so dass es sich um eine Allegorie auf ein Fest in Corinths Münchener Zeit handeln dürfte, ein Sinnbild der Schickeria und Künstlerszene am Fin de Siècle.

Prof. Dr. Katja Lembke

Abbildung: Lovis Corinth (1858-1925): Bacchanale, 1896, Öl auf Leinwand, 117 cm x 204 cm, Landesmuseum Hannover.